Nochmals zur Erwähnung des Hl. Joseph im Hochgebet

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Maria und die Apostel
Maria und die Apostel

Am 1. Mai 2013 hat die Kongregation für den Gottesdienst dekretiert, dass in Zukunft der Name des Hl. Joseph in die eucharistischen Hochgebete eingefügt werden soll. Gleichzeitig wurden entsprechende Formulierungen in lateinischer Sprache und in den großen Weltsprachen veröffentlicht. Im deutschen Sprachraum ist vor Erscheinen der dritten authentischen Ausgabe des Messbuchs die Einfügung des hl. Joseph in die Hochgebete möglich, aber in vielen Diözesen noch nicht verpflichtend.

Viel wurde seitdem über die Übersetzung der für die lateinischen Hochgebete vorgegebenen Formulierung diskutiert, die nicht nur im Deutschen auf einige Schwierigkeiten stößt.

Seit dem 2. Vatikanischen Konzil und der darauf folgenden Liturgiereform war es Aufgabe der nationalen Bischofskonferenzen, die neuen liturgischen Bücher mit den Übersetzungen der Texte vorzubereiten, zu approbieren und der römischen Kongregation zur Rekognoszierung vorzulegen, dies war u.a. in der Liturgiekonstitution des Konzils, Sacrosanctum Concilium Art. 36.4 so geregelt. Am 1. Mai 2013 hat in dem genannten Dekret nun erstmalig die römische Kongregation nicht nur einen lateinischen Text promulgiert, sondern gleichzeitig die Aufgabe der regionalen Autoritäten übernommen und muttersprachliche Übersetzungen veröffentlicht. Leider zeigt ein erster Blick auf diese Texte, dass sie nicht immer im Einklang mit dem Sprachgefühl und den Traditionen der Länder, in denen sie anzuwenden sind, stehen.

Als Beispiel sei hier der entsprechende Absatz aus dem 2. Hochgebet zitiert. Der Text des Gedenkens der Kirche lautet bisher wie folgt:

Vater, erbarme dich über uns alle, damit uns das ewige Leben zuteil wird in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und mit allen, die bei dir Gnade gefunden haben von Anbeginn der Welt [...]

Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, authentische Ausgabe, 1975

Nach den Vorgaben der Kongregation soll er zukünftig so lauten:

Vater, erbarme dich über uns alle, damit uns das ewige Leben zuteil wird, in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, dem seligen Joseph, ihrem Bräutigam, mit deinen heilgen Aposteln und mit allen, die bei dir Gnade gefunden haben von Anbeginn der Welt [...]

Dekret der Kongregation für den Gottesdienst vom 1. Mai 2013

Dies ist der zu übersetzende lateinische Text:

ut cum beáta Dei Genetríce Vírgine María, beáto Ioseph, eius Sponso, beátis Apóstolis [...]

Zwei Fragen werden durch die Übersetzung aufgeworfen:

Im deutschen Sprachraum wird in der Regel vom heiligen Joseph gesprochen, nicht jedoch vom seligen Joseph. Auch wenn in den in Frage kommenden lateinischen Texten sanctus und beatus gleichbedeutend sind, so ist im deutschen der Gebrauch von beatus - selig auf die zwar selig- aber noch nicht heiliggesprochenen Personen und eben auf die Gottesmutter Maria beschränkt. Sollten wir die vorgegebene Formulierung, die nach Ansicht der römischen Kongregation ab sofort verpflichtenden Charakter hat, übernehmen, so wird sich schnell die Frage stellen, warum denn der heilige Joseph plötzlich "nur" noch selig ist, während die im Text folgenden Apostel wieder "heilig" genannt werden. Man beachte, dass die Übersetzung der Kongregation das Attribut "heilig" vor den Aposteln zusätzlich einfügt. In der ursprünglichen deutschen Übersetzung des gültigen Messbuchs war es nicht vorhanden, wohl um sprachlicher Überlastung des Textes entgegenzuwirken.

Ging es bei der Erarbeitung der Übersetzung nun um eine besondere Treue zum lateinischen Text? Also, wie im ersten Jahr des schulischen Lateinunterrichts gelernt: sanctus = heilig, beatus = selig? Ganz offensichtlich nicht, denn sonst wären die Apostel ja auch zu "Seligen" geworden, denn der lateinische Text ordnet auch ihnen das Attribut beati zu. Die Wortwahl in der Übersetzung bleibt rätselhaft, auch wenn man auf die spanische und italienische Übersetzung schaut:

Auf Spanisch soll es heißen:

con María, la Virgen Madre de Dios, su esposo san José, los apóstoles [...]

Hier wird Maria weder das Attribut selig noch heilig zugeordnet, es reicht, sie als Jungfrau und Gottesmutter zu bezeichnen, und der hl. Joseph bleibt "heilig", während die Apostel ebenfalls keinerlei Attribut bekommen. Den Heiligkeit der genannten Personen tut das offensichtlich keinerlei Abbruch.

Ein ähnlicher Befund ergibt sich aus dem italienischen Text:

insieme con la beata Maria, Vergine e Madre di Dio, con san Giuseppe, suo sposo, con gli apostoli [...]

Maria ist "beata" also "selig" und Joseph entsprechend dem italienischen Sprachgefühl "santo", also "heilig", ohne dass dadurch irgendein Unterschied in einem evtl. Grad der Heiligkeit zum Ausdruck kommen soll. Auch hier brauchen die Apostel kein zusätzliches Attribut und bleiben dennoch "heilig".

Daher legt sich letztendlich nur der Schluss nahe, dass der deutsche Text vor seiner Anwendung nochmals zu überarbeiten ist: in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit dem heiligen Joseph, ihrem Bräutigam, mit deinen Aposteln [...].

Wenn es um die Übersetzung geht, darf allerdings eine zweite Frage nicht übersehen werden. Ist denn Joseph der Bräutigam oder der Ehemann Mariens? Nach jüdischem Brauch und Recht wurde eine gültige Ehe in zwei Schritten geschlossen: die Verlobung mit dem entsprechenden Vertrag und der Einzug der Braut in das Haus ihres Bräutigams, der die beiden zu Eheleuten machte. So berichten uns die Evangelien, dass Maria die Verlobte Josephs war (Mt 1,18) und dass er sie zu sich nahm (Mt 1,20). Damit waren beide Voraussetzungen erfüllt, die für eine Ehe notwendig waren. Die Verehrung des Hl. Joseph beginnt in der Westkirche allerdings relativ spät, nämlich im 8. Jahrhundert, und Joseph wird seitdem in der Tat meist als sponsus (Bräutigam) bezeichnet. Hier schwingen mit Sicherheit Motive der kultischen Reinheit mit, die in dieser Zeit in das Christentum eindringen, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.

Dem biblischen Befund nach ist Joseph allerdings eindeutig der Ehemann Mariens und nicht nur ihr Bräutigam, ein Begriff, der im Deutschen genauso wie in vielen anderen Sprachen nur auf den Verlobten bis zum Tage der Hochzeit einschließlich angewandt wird.

Die Sinnhaftigkeit der Einfügung des hl. Joseph an dieser Stelle

Vor allen Fragen nach einer korrekten Übersetzung und nach dem Zeitpunkt der Umsetzung der Bestimmungen des Dekretes ist allerdings ein Weiteres zu bedenken, worüber in den letzten 1 1/2 Jahren noch zu wenig gesprochen wurde:

Ist es überhaupt sinnvoll, an dieser Stelle in den Hochgebeten den Hl. Joseph zu erwähnen?

Papst Johannes XXIII. (Angelo Giuseppe Roncalli) hatte schon 1962 mit Dekret der Ritenkongregation vom 13. November 1962 (AAS 54 (1962) 873) die Nennung des hl. Joseph im damaligen Römischen Kanon, dem heutigen 1. Hochgebet, verfügt. Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) hat, an ihn herangetragene Wünsche aufgreifend, dies nun auf die Hochgebete 2 - 4 ausgeweitet. Über die weiteren Hochgebete des römischen Ritus ist nichts gesagt.

Der Text des 1. Hochgebetes scheint sich auf den ersten Blick auf ein ehrendes Gedenken der Heiligen zu beziehen:

"In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche gedenken wir deiner Heiligen. Wir ehren vor allem Maria, die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter unseres Herrn und Gottes Jesus Christus. Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Joseph, deine heiligen Apostel und Märtyrer [...]."

Es folgt die erste von zwei langen Listen von Heiligen, die die himmlische Kirche in einer durchdachten Symmetrie darstellen.

Trotz eines redaktionellen Eingriffes, wohl durch Gregor d. Großen (+ 604), der beide Heiligenlisten in eine entgültige Form bringen wollte, erlaubten sich verschiedene Ortskirchen aber weiterhin, unter Beibehaltung der doppelten Zwölfzahl von Aposteln und römischen Heiligen der ersten Liste, auch Heilige der eigenen Lokaltradition oder den jeweiligen Tagesheiligen an die Liste anzufügen, was bisweilen allerdings auf bischöflichen Widerstand stieß. Das späte Mittelalter zeigt hingegen schon eine rückläufige Bewegung bei dieser Aufblähung der Heiligenliste, bis diese mit dem Missale Pius V. endgültig wieder verschwindet (vgl. J. A. Jungmann, Missarum sollemnia 2, Wien - Freiburg - Basel (5)1962, 222). Erst nach dem 2. Vatikanischen Konzil lässt sich wieder beobachen, wie die Erwähnung der Heiligen in den Hochgebeten, meist nach persönlichem Geschmack des vorstehenden Priesters, wieder um weitere Namen ergänzt wird.

Abgesehen einmal von dem schwer zu interpretierenden Text des 1. Hochgebetes wird allerdings in den Hochgebten 2 - 4 sehr deutlich, wie die Erwähnung Mariens und der Heiligen Teil des Gedenkens der Gemeinschaft der Kirche ist, in der wir die Eucharistie feiern. Es geht ausdrücklich nicht um ein ehrendes Gedenken einzelner Personen, sondern um das strukturierte Gesamt der Kirche, aufgeteilt in vier Gruppen (hier verdeutlicht am Beispiel des 2. Hochgebetes):

1.) Die feiernde Versammlung:

Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung deines Sohnes [...]. Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und lass uns eins werden durch den Heiligen Geist.

2.) Die Gemeinschaft der Kirche auf dem ganzen Erdkreis:

Gedenke deiner Kirche auf der ganzen Erde und vollende dein Volk in der Liebe [...]. Hier werden Papst, Bischof, Bischofskollegium, Presbyterium, Diakone und alle zum Dienst bestellten erwähnt.

3.) Die Verstorbenen im Übergang zur himmlischen Kirche:

Gedenke unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen. [...]

4.) Die vollendete himmlische Kirche:

[...] in der Gemeinschaft mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und mit allen, die bei dir Gnade gefunden haben von Anbeginn der Welt [...].

In dieser kirchlichen "Gesamtgemeinschaft" feiern wir Eucharistie. Die Erwähnung der himmlischen Kirche nimmt Bezug auf die Anfänge der Kirche, auf Maria und die Apostel, die zusammen mit den (namentlich nicht erwähnten Frauen und Männern) in Jerusalem zwischen Himmelfahrt und Pfingsten gemeinsam im Gebet verharrten:

Dann kehrten die Apostel vom Ölberg nach Jerusalem zurück. Dort gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.

Apg 1,12-14

Nach diesem Vorbild werden auch in unseren Hochgebeten Maria und die Apostel und dann erst alle weiteren erwähnt. Deutlich wird dieser Gedanke auch in dem Tagesgebet einer Marienmesse für die Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten:

Gott, du hast den Aposteln, die mit der Mutter Jesu im Gebet versammelt waren, den Heiligen Geist gesandt. Höre auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria. Mache auch uns bereit, die Gaben deines Geistes zu empfangen und deine Herrlichkeit in Wort und Tat zu verkünden. Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, authentische Ausgabe, 1975 (6. Marienmesse in der Osterzeit)

Nehmen die Hochgebete die vollendete himmlische Kirche in den Blick, so tun sie das mit einem klaren Bezug auf deren den Anfang. Ob der hl. Joseph dabei war, als die Apostel mit Maria und den Schwestern und Brüdern in Jerusalem versammelt waren, wissen wir nicht. Die Schriften sagen nichts darüber, genauso wie sie uns keine weiteren Namen verraten. Das tut der Würde und der Wichtigkeit der Gestalten aus den Anfängen der Kirche keinerlei Abbruch. Worauf die Hl. Schrift Wert legt, ist die enge Verbindung zwischen Maria und den Aposteln, die in der derzeitigen Formulierung der Hochgebete 2 - 4 anklingt. Es stellt sich hier tatsächlich die Frage, ob nun wirklich Maria durch die Einfügung des hl. Joseph von den Aposteln getrennt werden soll, oder ob man nicht doch lieber beim biblischen Bild bleiben sollte, das auch der gesamtkirchlichen Tradition entspricht: Nach einer (zugegeben flüchtigen) Durchsicht des entsprechenden Standardwerkes Prex eucharistica, hg. A. Hänggi - I. Pahl, Freiburg/Schweiz (2)1968, lässt sich kein Eucharistiegebet mit einer Erwähnung des hl. Joseph finden.

Pius XI. erhob 1870 den hl. Joseph zum Patron der Kirche. Sollte er deswegen Einzug in die offiziellen Hochgebete halten, so könnte er seinen Platz nach der Erwähnung Mariens, der Apostel und der Märtyrer (welche in der Tradition immer den ersten Platz unter den Heiligen nach der Gottesmutter einnehmen) finden, so wie es ja seit 1970 im 3. Hochgebet möglich ist, in das im Anschluss an die Märtyrer ein Tagesheiliger oder Patron eingefügt werden kann:

"[...] mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit deinen Aposteln und Märtyrern, mit dem heiligen Joseph und mit allen Heiligen [...]".

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