Das Kyrie in der Messe

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Das Kyrie in der Messe

In den eröffnenden Riten der Messfeier spricht sich die Gemeinde gegenseitig (im Wechsel von Vorsteher und den weiteren Mitgliedern der Versammlung) die Gegenwart Christi im Heiligen Geist zu, wie es in Gruß und Gegengruß Der Herr sei mit euch - Und mit deinem Geiste zum Ausdruck kommt.

Nach einem kurzen Bußakt mit nachgeordneter Bedeutung, der in feierlichen Gottesdiensten ausfallen kann, bzw. an einigen Gelegenheiten (z. B. Palmsonntag, Osternacht...) grundsätzlich ausfällt, folgt die Akklamation Kyrie eleison - Herr, erbarme dich.

Die Anrufung richtet sich an Christus, in dessen Namen die Gemeinde versammelt ist. Die christliche Liturgie greift diesem Ruf eine antike Herrscherakklamation auf, mit der das Volk die politische und rechtliche Bindung an einen Herrscher deutlich machte.

Wenn Christen diese Akklamation übernahmen und an Christus richteten, so war und ist dies ein Akt von nicht unerheblicher Bedeutung. So wie sich ein antikes Volk in diesem Akt von allen anderen Herren und Herrschern lossagt und seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Herrscher verbindlich zum Ausdruck bringt, so sagten und sagen sich die Christen ebenfalls von allen anderen Herren, ja auch von dem als Gott verehrten Kaiser los, und erkennen Christus als ihren einzigen Herrn an (vgl. R. Messner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn 2001, 178). Weswegen sie bis heute in vielen Systemen angefeindet und verfolgt werden.

Das Kyrie eleison ist also nicht in erster Linie ein Bußruf, eine Bitte um Erbarmen, wie es die deutsche Übersetzung und das heutige Verständnis des Begriffes nahelegen könnte, sondern ein "[...] Bekenntnis zur Barmherzigkeit Christi, von der das Leben der Gemeinde abhängt." (Messner, Einführung 181).

Der Kyrieruf kann durch Hinzufügung weiterer an Christus gerichteter Tropen zu einer Litanei ausgeweitet werden. Im deutschen Messbuch findet sich das Modell einer solchen Kyrielitanei mit folgenden Wortlaut:

Herr Jesus Christus, du bist vom Vater gesandt, zu heilen, was verwundet ist: - Kyrie eleison.
Du bist gekommen, die Sünder zu berufen: - Christe eleison.
Du bist zum Vater heimgekehrt, um für uns einzutreten: - Kyrie eleison.

Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, authentische Ausgabe, 1975

In diesem Modell wird deutlich, worum es geht: Alle Anrufungen sind nicht nur an Christus gerichtet, sondern sie haben mit Christi Heilswerk zu tun.

Christus ist der Gesandte des Vaters.

Christus beruft die Sünder.

Christus tritt beim Vater für uns ein.

Und das nicht nur einmal vor 2000 Jahren, sondern Gottes Heilshandeln in Christus wird gegenwärtig - jedes Mal, wenn wir Liturgie feiern. Wenn die Gemeinde Christus anruft und sich zu seinem Erbarmen bekennt, dann ist Christus als der Gesandte des Vaters gegenwärtig, dann beruft er die (anwesenden) Sünder und macht sie immer mehr zu Gliedern seines Leibes, der Kirche, dann tritt er jetzt beim Vater für uns ein - und die Versammlung bekennt sich als die von Gott gerufenen, die im Vertrauen auf Christi Eintreten beim Vater, ihren Glauben leben.

Es geht hier erst einmal um Gottes Handeln an uns und nicht um unser Handeln in der Welt. Akklamationen, die das Verhalten des Menschen in den Mittelpunkt stellen, oder Bitten um Vergebung von Fehlformen menschlichen Verhaltens haben hier nichts zu suchen. Wenn in der Vorbereitung einer Schul- oder Klassenmesse von Kindern oder ihren Lehrern Kyrierufe formuliert werden, so sind diese auf diesem Hintergrund zu überprüfen.

Statt Es tut uns Leid, dass wir so viel streiten: Herr, erbarme dich. Könnte es besser heißen: Herr Jesus Christus, du rufst uns in deine Gegenwart, auch wenn wir untereinander Streit haben: Herr erbarme dich.

Statt Hilf uns, dass unsere Klassengemeinschaft besser wird: Herr, erbarme dich. Kann man besser sagen: Herr Jesus Christus, du rufst uns alle zur Gemeinschaft mit dir: Herr, erbarme dich.

Als gläubiges und lobendes Bekenntnis zu Christi handeln ist dem Kyrieruf der Gesang eigen, durch den sein Sinn besser zum Ausdruck kommt. Würde der Ruf in unseren Gottesdiensten regelmäßig gesungen, blieben wir sicher häufiger vor unpassenden textlichen Erweiterungen verschont.

Herkunft

Dass sich beim Kyrie die griechische Sprache erhalten hat und - bis auf wenige Ausnahmen - nie eine lateinische Übersetzung üblich war, weist das Kyrie als "[...] Christliche Ursprungsmarke aus, die Zeiten und Kulturen übergreift." (Messner, Einführung 181).

Das älteste Zeugnis für das Kyrie im römischen Ritus finden wir im dritten Kanon des 2. Konzils von Vaison (Burgund) aus dem Jahr 529. Und im Jahr 598 schreibt Papst Gregor der Große an Bischof Johannes von Syrakus, dass es sich hierbei um ein festes Element der Römischen Messe an den Werktagen handelt (S. Gregorii Magni Registrum Epistularum Libri VIII-XIV, Appendix, ed. D. Norberg (CCSL 140A), Turnhout 1982, 587).

Der Kyrieruf in den eröffnenden Riten ist wohl nicht, wie lange geglaubt, der Rest eines Allgemeinen Gebetes, im Sinne unserer Fürbitten, an dieser Stelle, sondern geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Bußprozession zurück, die am Beginn der Stationsliturgie, die der Bischof von Rom mit der gesamten Stadtgemeinde feierte, stand: Man kam in einer Kirche zusammen und zog in Prozession gemeinsam in die für die Feier der Eucharistie an dem betreffenden Tag vorgesehene Kirche. Die an Christus gerichtete Akklamation Kyrie eleison war Teil dieser Prozession. (Der Stand der Forschung und die Darstellung der Ergebnisse aus der vergleichenden Liturgiewissenschaft zu dieser noch nicht vollständig geklärten Frage finden sich bei: S. Parenti, «Lo studio e la storia della Messa Romana nella prospettiva della liturgia comparata: alcuni esempi», Ecclesia Orans 25 (2008) 197-201.)

Festzuhalten bleibt, dass gefeierte Liturgie Bekenntnis der/zur Größe und Liebe Gottes ist. In der Liturgie sagen Christen (ursprünglich) nicht Ich bin schlecht sondern vielmehr Gott ist groß; und so ist auch der Bußakt zu Beginn der Messfeier nichts anderes als das Bekenntnis zu Gottes erbarmender Liebe, auf die wir alle angewiesen sind.

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Die angeführte Kyrielitanei wird bei Krankenkommunionfeiern besonders intensiv mitgebetet: <br /> Jesus Christus ist der Heiland.
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