Eine Anmerkung zur Kommunionausteilung

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Eine Anmerkung zur Kommunionausteilung

In vielen Messfeiern ist zu beobachten, wie nach der Brotbrechung die Kommunion zuerst an die Gemeinde ausgeteilt wird und der Priester als letzter kommuniziert, evtl. dann zusammen mit den Kommunionhelfern. Auch wenn das Messbuch diese Abfolge bei der Austeilung der Kommunion nicht vorsieht und auch nie vorgesehen hat, sondern festlegt, dass der Priester selber kommuniziert, bevor er an die anderen austeilt, wird die abweichende Praxis oft mit dem Verhalten eines Gastgebers beim gemeinsamen Mahl begründet: Der Gastgeber beginne ja auch nicht, bevor nicht die Gäste ihr Essen bekommen haben. Der Ablauf eines Gastmahls ist in den Kulturen sicher fest geregelt, wobei die Regeln allerdings unterschiedlich sein können und es auch Kulturen gibt, in denen es zumindest als unhöflich gilt, wenn ein Gast mit dem Essen beginnt, bevor nicht der Gastgeber den ersten Bissen zu sich genommen hat.

Die Frage ist allerdings, ob sich die Regeln des Gastmahls wirklich eins zu eins auf die Messfeier anwenden lassen, auch wenn Christus die Eucharistie als ein Opfer in Mahlgestalt eingesetzt hat. Zumindest stellt sich die Frage, ob der Priester in der Messe wirklich der Gastgeber ist, oder ob er nicht auch - und in erster Linie - Empfangender ist, so wie alle anderen; auch dann - und obwohl - ihm der Dienst des Austeilens der Eucharistie obliegt. (Wer allerdings bzgl. der Einsetzung der Eucharistie etwas wirklich Interessantes lesen will, sei hingewiesen auf den Beitrag von P. Bradshaw «Did Jesus Institute the Eucharist at the Last Supper?» in Issues in Eucharistic Praying in East and West. Essays in Liturgical and Theological Analysis, hg. M. E. Johnson, Liturgical Press, Collegeville, Minnesota 2010, 1-20.)

Der sog. Ordo Romanus I, der eine sehr detaillierte Beschreibung der Stationsmesse des römischen Bischofs gibt, wie sie wohl im 8. Jahrhundert gefeiert wurde, schildert uns, wie sich der Papst, nachdem er mit der Brechung des Brotes begonnen hat, an seinen Sitz zurückzieht und die weitere Brotbrechung, die wegen der großen Menge der zu brechenden Brote (kleine Hostien waren damals noch nicht üblich) durchaus länger dauern konnte, den anwesenden Bischöfen und Priestern überlässt. Nachdem das eucharistische Brot gebrochen ist, nimmt sich der Papst die Kommunion nicht selbst vom Altar, sondern sie wird ihm an seinem Sitz von einem Diakon gereicht: "Expleta confractione, diaconus minor, levata de subdiacono patena, defert ad sedem, ut communicet pontifex." (OR I, 106, ed. M. Andrieu, Les Ordines Romani 2 (Spicilegium Sacrum Lovaniense. Études et douments 23), Louvain 1971, 101). Anschließend teilt der Papst dann an seinem Sitz die Eucharistie auch an weitere Mitfeiernde aus.

Ein in diesem Zusammenhang allerdings noch erhellenderer Beitrag stammt von einem syrischen Autor aus dem 6. Jahrhundert: Philoxenos von Mabboug (+ 523), einer der heiligen Theologen der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, schreibt in seinem Traktat über die Einwohnung des Geistes, wie Priester und Volk als Sünder, die gleichermaßen angewiesen sind auf die barmherzige Vergebung Gottes in der Eucharistie, kommunizieren: Der Priester [...] teilt die Eucharistie nicht an die anderen aus, bevor er sie nicht selber empfangen hat, als ein Unwürdiger, der damit vor der ganzen Kirche bekennt, dass er der erste ist, der die sündenvergebende Kraft der Eucharistie benötigt. [...] Als Sünder empfängt er sie und teilt sie aus an alle, die in der selben Disposition sind. (A. Tanghe, «Memra de Philoxène de Mabboug sur l'inhabitation du Saint-Esprit», Le Museon 73 (1960) 61). Ohne hier auf die im Hintergrund stehende alttestamentliche Vorstellung näher einzugehen, nach der der Priester zuerst für sich selber das Opfer darzubringen hatte, bevor er für das Volk opfern konnte, kann man doch erkennen, wie Philoxenos sehr deutlich unterstreicht, dass der Priester nicht Gastgeber, sondern Empfangender ist, der die Gnade Gottes ebenso nötig hat, wie alle anderen. Dies bekennt er vor der ganzen Kirche, wenn er zuerst kommuniziert.

Eine Überbetonung der Beichte als einzige Möglichkeit, Vergebung zu empfangen, hat in der westlichen Theologie und Praxis sicher auch dazu geführt, den sündentilgenden Charakter der Eucharistie in Vergessenheit geraten zu lassen, auch wenn dieser vom Trienter Konzil in den Jahren 1551 und 1562 nochmals ausdrücklich unterstrichen wurde (s. DH 1638 und 1743).

Allerdings weist schon längst vor dem Konzil von Trient eines der Stillgebete des Priesters, das sich seit dem 9. Jahrhundert im Kommunionteil der Messe befindet, auf diesen Charakter der Messe hin. Vor dem Empfang der Kommunion betet auch heute noch der Priester still:

Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes,
dem Willen des Vaters gehorsam,
hast du ihm Heiligen Geist durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt.
Erlöse mich durch deinen Leib und dein Blut von allen Sünden und von allem Bösen.
Hilf mir, dass ich deine Gebote treu erfülle,
und lass nicht zu, dass ich jemals von dir getrennt werde.

Messbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, Authentische Ausgabe 1975

Dieses Gebet, dass eventuell auf Alcuin (+804) zurückgeht, der in seinem De psalmorum usu liber ein ähnliches Gebet vor der Kommunion kennt (s. PL 101, 508), ist uns in einem liturgischen Dokument zum ersten Mal im 9. Jahrhundert und zwar im Sakramentar von Amiens bezeugt; zu einer Zeit also, in der die vom Trienter Konzil sanktionierte Unterscheidung zwischen lässlichen und schweren Sünden noch nicht greift. Wenn hier gesagt wird "von allen Sünden", so ist das auch wirklich so gemeint. Selbstverständlich ist auch den mittelalterlichen Autoren klar, dass es dabei nicht um Magie geht. Sündenvergebung in der Messe tritt nicht automatisch ein, die rechte Disposition des Empfangenden (1 Cor 11,28) ist auch hier immer gefordert. Auf der anderen Seite wird auch in diesem Text deutlich, wie der Priester nicht Gastgeber ist, sondern - wie alle anderen auch - Empfangender: Gast am Tisch des Herrn.

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A
sehr schön
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