Wer darf eigentlich Bischöfe weihen?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Menschen denken gerne in hierarchischen Strukturen und das macht auch vor der Kirche nicht halt. So scheint es selbstverständlich, auch von einem hierarchisch geordneten Weiheamt in der Kirche zu sprechen: zuunterst die Diakone, dann die Priester und zuoberst die Bischöfe. Die Bischöfe weihen Diakone und Priester und um einen Bischof zu weihen braucht man dann halt drei andere Bischöfe, so wie es das Konzil von Nizäa (can. 4) im Jahr 325 festgelegt hat. Spätestens seitdem zu Beginn des 2. Jahrtausends sich der cursus honorum in der kirchlichen Ämterlaufbahn durchgesetzt hat, nach dem alle einzelnen Stufen des Amtes durchlaufen werden müssen, um an der Spitze, dem Bischofsamt, anzukommen, scheint eine solche hierarchische Aufteilung auf den ersten Blick hin stringent.

Aber es war nicht immer so und die Zuordnung von Bischöfen, Diakonen und Presbytern (Priestern) hat auch verschiedentlich zu Spannungen in den Ortskirchen geführt. So hatten beispielsweise im 5. Jahrhundert in Rom (wie auch in anderen Kirchen) die Diakone, denen die Verwaltung des Vermögens, die Leitung der karitativen Tätigkeit der Kirche und weitgehende Jurisdiktionsbefugnisse anvertraut waren, wesentlich größere Bedeutung als die Presbyter. Und schon im 3. Jahrhundert hatte Bischof Cyprian von Karthago (s. Ep 18,1) mit großer Selbstverständlichkeit die Diakone beauftragt, in seiner Abwesenheit die Versöhnung der Büßer vorzunehmen, welche sonst dem Bischof allein oblag.

Gegen die vorherrschende Auffassung, dass Bischöfe wohl von Bischöfen zu weihen sind, verweist der Hl. Hieronymus (†420) auf die Praxis in Alexandrien, wo jeweils einer der Presbyter zum Vorsitzenden des Presbyteriums bestimmt wurde und Presbyter und Bischöfe ursprünglich gleichgestellt waren. In seinem 146. Brief nimmt er Stellung zum Problem der Zuordnung von Diakonen und Presbytern in Rom, was ihm Anlass gibt, zu unterstreichen, wie Presbyter und Bischöfe auf einer Stufe stehen. Auch wenn Hieronymus dem Bischof in Rom das Recht der Ordination zuspricht, so geschieht das anscheinend eher aus disziplinären und weniger - wenn überhaupt - aus dogmatischen Gründen, wie das von ihm angeführte Beispiel aus Alexandrien zeigt, wo zur Bischofsweihe anscheinend kein Bischof benötigt wurde:

Der Apostel lehrt mit aller Deutlichkeit, daß Presbyter und Bischöfe auf der gleichen Stufe stehen. [...]
Wenn man dann später einen einzelnen auswählte, welcher den übrigen vorgesetzt wurde, so geschah dies, um Spaltungen vorzubeugen. Denn es hätte zur Unterwühlung der Kirche führen müssen, wenn ein jeder die Macht hätte an sich reißen können. So wählten die Presbyter zu Alexandrien von den Tagen des Evangelisten Markus an bis zu den Bischöfen Heraklas und Dionysius immer einen aus ihrem Kollegium aus, verliehen ihm einen höheren Rang und nannten ihn Bischof. Sie handelten in etwa wie ein Heer, das sich einen Feldherrn wählt, oder wie die Diakone, welche den eifrigsten aus ihrer Schar kürten und zum Archidiakon erhoben.

Hieronymus, Brief 146, 1

Diese Auffassung, die Hieronymus auch noch in seinem Kommentar zum Titusbrief vertritt, wird im Hochmittelalter in das Gratianische Dekret (ca. 1140), eine der wichtigsten Sammlungen kirchlicher Gesetze und Rechtsvorschriften, aufgenommen und führt bei einigen der großen mittelalterlichen Theologen, so Petrus Lombardus und Thomas von Aquin (vgl. Summa Theologiae, suppl. 40, 4; sent. IV, 17, 3, 3; 5) dazu, das Bischofsamt nicht sakramental sondern nur als Würde oder Amtsbezeichnung zu begründen. Außerhalb der Thomistischen Schule sprechen allerdings Theologen vom Episkopat auch als Ordo oder Sakrament.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nicht nur in Alexandrien offensichtlich die Presbyter ihren Bischof weihten, sondern der Papst verschiedentlich auch Priester mit der Vollmacht ausgestattet hat, ihrerseits Priester oder Diakone zu weihen.

So gewährt am 1. Februar 1400 Papst Bonifatius IX. dem Abt (der nicht Bischof ist!) des Klosters St. Osyth in England das Privileg, "[...] die Weihen des Subdiakonats, des Diakonats und des Priestertums zu den vom Recht festgelegten Zeiten frei und erlaubtermaßen erteilen zu können [...]" (Bulle Sacrae religionis, DH 1145). Dieses Privileg wird zwar drei Jahre später auf Betreiben des zuständigen Londoner Bischofs widerrufen, allerdings nicht aus dogmatischen sondern aus disziplinarrechtlichen Gründen, um den Einfluss des Bischofs auf das Kloster nicht zu schmälern (vgl. Bonifatius IX., Bulle Apostolicae Sedis, 6. Febr. 1403, DH 1146). Im Jahr 1427 gewährt Papst Martin V. dem Abt des Zisterzienserklosters Altzelle in Sachsen das gleiche Privileg; und 1449 stattet Innozenz VIII. die Äbte von Citeaux und dessen vier wichtigsten Tochterklöstern mit der Vollmacht aus, Subdiakone und Diakone zu weihen, welche im Zisterzienserorden noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ausgeübt wurde.

Die Beschränkung der Weihevollmacht auf den Bischof ist in der Geschichte also eindeutig disziplinarrechtlich und nicht dogmatisch oder sakramental begründet.

Erst das zweite Vatikanische Konzil lehrt in der Kirchenkonstitution Lumen Gentium, dass der Bischof die Fülle des Weihesakramentes besitzt:

Die Heilige Synode lehrt aber, daß durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen wird. Sie heißt ja auch im liturgischen Brauch der Kirche wie in den Worten der heiligen Väter das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes. Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung, die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können. Aufgrund der Überlieferung nämlich, die vorzüglich in den liturgischen Riten und in der Übung der Kirche des Ostens wie des Westens deutlich wird, ist es klar, daß durch die Handauflegung und die Worte der Weihe die Gnade des Heiligen Geistes so übertragen und das heilige Prägemal so verliehen wird, daß die Bischöfe in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, innehaben und in seiner Person handeln. Sache der Bischöfe ist es, durch das Weihesakrament neue Erwählte in die Körperschaft der Bischöfe aufzunehmen.

2. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche "Lumen Gentium" (16. Nov. 1964), Art. 21

Was die Weihe von Bischöfen angeht, gibt das Konzil einer sehr offenen Formulierung den Vorzug, die keine sakramentale Festlegung zu implizieren scheint: "Sache der Bischöfe ist es, durch das Weihesakrament neue Erwählte in die Körperschaft der Bischöfe aufzunehmen. - Episcoporum est per Sacramentum Ordinis novos electos in corpus episcopale assumere." Die Frage der Zuordnung von Bischofs- und Priesterweihe wird dabei offen gelassen und nicht entgültig geklärt.

Festzuhalten bleibt: es geht bei der Zuordnung von Bischöfen, Priestern und Diakonen vor allem um einen Dienst für die Kirche und nicht um eine Ämterlaufbahn im Sinne des cursus honorum. Die Geschichte zeigt, dass, neben gewisssen Konstanten, die genaue Struktur und Zuordnung der Ämter immer wieder den jeweiligen Bedürfnissen der Kirche angepasst wurde.

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M
Gibt es nach der Antike auch Belege für die Weihe durch Nichtbischöfe, die nicht Äbte waren? Mich würde in diesem Zusammenhang ein Vergleich von Abt und Bischof interessieren.
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M
Da ist mir weiter nichts bekannt, bis auf Alexandrien, was übrigens - so notiert Y. Congar in seinem Konzilstagebuch - auch Gegenstand der Diskussion in der entsprechenden Konzilskomission war. Interessant ist der Vergleich von Abt und Bischof; und zwar nicht auf sakramentaler sondern auf disziplinarrechtlicher Ebene, auf der der Abt dem Bischof gleichgestellt ist. Die Vollmacht der Weihe bezog sich ja auf die Angehörigen des eigenen Klosters und nicht auf andere, genau wie ein Bischof nur die Angehörigen seiner eigenen Ortskirche weihen darf und für alle anderen einer gesonderten Vollmacht bedarf. Die päpstlichen Dokumente lassen als alleinigen Grund für die Übertragung der Weihevollmacht die Jurisdiktion und nicht eine "Abtsweihe" erkennen. Das wird vor allem in der Rücknahme der Bevollmächtigung durch Bonfifatius IX. deutlich. (Territorial-)Äbtissinnen hatten übrigens teilweise ebenso die Jurisdiktion über ihren Klerus und mussten die Weihen genehmigen, die ein Bischof ohne die Genehmigung der Äbtissin nicht vollziehen konnte. (Ein Vergleich zwischen Abts- und Bischofsweihe kann hier allerdings nicht herangezogen werden.)
K
Meine Frage in diesem Zusammenhang: Wie gesichert ist historisch die Apostolische Sukzession ?<br /> Danke für Ihre Mühe !
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M
Wenn die Apostel durch Handauflegung Presbyter oder Bischöfe bestellt haben, dann haben auch diese durch Handauflegung wieder weitere Dienstträger bestellt. Ob die Handauflegung und Geistmitteilung dabei durch einen Bischof, einen Presbyter oder durch das Kollegium der Presbyter (wie in 1 Tim 4,14) vollzogen wird, ist für die Sukzession unerheblich. Es reicht, dass der, der die Handauflegung empfangen hat, sie weitergibt, damit ist die apostolische Sukzession unbedingt gesichert. Viele Grüße :-)