Anmerkungen zum Ort der Kommunionausteilung

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Anmerkungen zum Ort der Kommunionausteilung

Ein Großteil der folgenden Gedanken basiert auf den Ausführungen meines Kollegen Enrico Mazza, dessen Artikel «L'altare come luogo della communione. Un problema di oggi alla luce della storia», in E. Mazza, Rendere grazie. Miscellanea eucharistica per il 70° compleanno, ed. D. Gianotti (Studi e ricerche di liturgia), Bologna 2010, 397-413 ich sehr empfehlen kann.

Im Kapitular (über die Bedeutung der Kapitulare siehe Post vom 25.11.13) des Bischofs Haito von Basel (762/63-836; Bischof 802/03-823) findet sich im Kapitel XVI folgende Bestimmung, die auf den ersten Blick nichts mit dem Kommunionempfang zu tun zu haben scheint, sich aber dennoch zur Erhellung des Hintergrundes als wichtig erweist:

Sexto decimo, ut unusquisque hoc provideat, ut mulieres ad altare non accedant nec ipsae Deo dicatae in nullo ministerio altaris intermisceantur. Quod si pallae altaris lavandae sunt, a clericis abstrahantur et ad cancellos feminis tradantur et ibidem repetantur. Similiter et presbyteri, cum oblata ab eisdem mulieribus offeruntur, ibidem accipiantur et ad altare deferantur.

Haito v. Basel, Kapitular XVI, in Capitula episcoporum I, hg. P. Brommer (MGH), Hannover 1984, 215

16. Dass jeder dafür sorgen möge, dass Frauen nicht an den Altar herantreten und auch keine Gott geweihten Frauen einen Dienst am Altar wahrnehmen. Auch wenn die Altartücher zu waschen sind, so werden sie von den Klerikern abgenommen und an den Schranken den Frauen übergeben und dort auch wieder in Empfang genommen. In gleicher Weise nehmen die Presbyter die von Frauen dargebrachten Gaben an den Altarschranken in Empfang und bringen sie auf den Altar.

Ähnliche Bestimmungen finden wir in weiteren bischöflichen Kapitularien jener Zeit, so z.B. bei Theodulf von Orleans (Anfang 9. Jh.) in seinem 1. Kapitular, Kapitel VI:
"Feminae missam sacerdote celebrante nequaquam ad altare accedant, sed locis suis stent. Et ibi sacerdos earum oblationes Deo oblaturus accipiat." (Capitula episcoporum I, ed. P. Brommer (MGH), Hannover 1984, 107).
Frauen sollen währen der Feier der Messe durch den Priester niemals an den Altar herantreten, sondern bleiben an ihren Plätzen. Dort nimmt auch der Priester ihre Gaben in Empfang.

Wie Theodulf stammt auch Haito von Basel aus dem Umfeld Kars des Großen, und seine Bemühungen sind in den Rahmen der Bemühungen Karls und seiner Nachfolger um eine einheitliche Liturgie im Reich einzuordnen.

Es soll hier ausdrücklich nicht darum gehen, Mutmaßungen oder Bewertungen über die Rolle der Frau in der Kirche im 9. Jahrhundert anzustellen. Auch geht es nicht einmal ansatzweise darum, diese damals von den Bischöfen getroffenen - und im kulturell-geschichtlichen Umfeld zu deutenden - Vorschriften auf heutige Tage zu übertragen. Heute haben selbstverständlich auch Frauen zutritt zum Altar, Messdienerinnen, Lektorinnen und Kommunionhelferinnen sind aus unseren Gottesdiensten nicht mehr wegzudenken und keiner käme mehr auf die Idee, Frauen zu verwehren, Altartücher selber ab- oder aufzulegen. Und umgekehrt können auch selbstverständlich Männer die Altartücher waschen.

In den angeführten Quellentexten finden wir, jenseits der Frage nach der Rolle der Frau, ein Zeugnis, dass uns hier interessieren soll. Es geht um die nachgewiesene Existenz von Altarschranken und es stellt sich die Frage nach dem Ursprung dieser Trennung von Presbyterium als Raum der Kleriker und Kirchenschiff als Raum der Laien. Diese Trennung hat dann auch ihre nicht zu übersehende Auswirkung auf den Ort des Kommunionempfanges.

Es liegen uns keine Zeugnisse über den Ort der Kommunionausteilung in der Frühchristenheit vor, da diese unmittelbar an das Eucharistiegebet gebunden war. Nach dem Lob- und Dankgebet über die Gaben traten die Mitfeiernden vor und empfingen die Eucharistie. Vorher hatten sie selber schon die Gaben für die Eucharistie zum Altar gebracht, wo sie vom Vorsteher und etwaigen Helfern entgegengenommen wurden. Eine Trennung von Altar- und Gemeinderaum oder von Kleriker- und Laienkommunion ist nicht bezeugt.

Ein eigenständiger Ritus der Kommunion im Anschluss an das Eucharistiegebet bildet sich erst langsam im 4. Jahrhundert heraus. Der erste Schritt ist die Einfügung des Vaterunser; allerdings nicht als eigenständiges Gebet, sondern als Abschluss des Eucharistiegebetes vor dem Amen der Gemeinde. Dies bezeugt uns Cyrill von Jerusalem (+ 387) in einer seiner Katechesen. Wenig später wird als erstes eigenständiges Element ein Segen nach Abschluss des Lob- und Dankgebetes und vor der Kommunionausteilung eingefügt. Der theologische Sinn erschließt sich aus dem Gedanken, dass der Empfang der Eucharistie für alle ein Segen ist. Dieser Segen ist in allen Liturgien gut bezeugt. Im römischen Ritus bekommt er allerdings allmählich eine neue Bedeutung, als er zunehmend als Entlasssegen verstanden und so an den Schluss der Feier verlegt wird (vgl. E. Mazza, «L'altare come luogo della communione. Un problema di oggi alla luce della storia», in idem, Rendere grazie. Miscellanea eucharistica per il 70° compleanno, ed. D. Gianotti (Studi e ricerche di liturgia), Bologna 2010, 398-399).

Aufschlussreich ist ein Vorkommnis in der altspanischen Liturgie, zu dem das 4. Konzil von Toledo (633) Stellung nimmt: Einige Presbyter waren wohl dazu übergegangen, nachdem sie den Sinn des Segens nicht mehr verstanden, direkt nach dem Vaterunser zu kommunizieren, dann folgte der Segen für das Volk und die Kommunion der Laien. Das Konzil verbietet diesen Brauch ausdrücklich und verlangt dass Kleriker und Volk beide nach dem Segen kommunizieren; kennt aber auch die eine Trennung, dass nämlich die Priester und Leviten vor dem Altar, die Kleriker im Chor und das Volk außerhalb des Chores die Eucharistie empfangen:

Nonnulli sacerdotes post dictam orationem Dominicam statim communicant, et postea benedicitionem in populo dant, quod deinceps interdicimus, sed post orationem Dominicam benedictio in populum sequatur, et tunc demum corporis et sanguinis Domini sacramentum sumatur, eo videlicet ordine ut sacerdotes et levitae ante altare communicent, in choro clerus, extra chorum populus.

4. Konzil v. Toledo, can. 17 (PL 130, 459-470)

Man erkennt die Tendenz, die Kommunion der Presbyter von der der Laien zu trennen und den Segen dazwischenzuschieben. Diese hier beginnende Tendenz ist später immer wieder zu beobachten, dass nämlich die Handlungen des Priesters eine andere Qualität annehmen als die der Laien. Die Kommunion der Priester und der Laien ist hingegen ein und die selbe. Unterschiede gibt es allein in den Aufgaben des Priesters als Vorsteher. Die Kommunion ist kein Vorsteherdienst; auch der Priester ist Empfangender wie alle anderen (vgl. E. Mazza, «L'altare», 400).

Am Anfang des 7. Jahrhunderts hat sich diesbezüglich also schon ein Brauch durchgesetzt, der im Jahr 567 so noch nicht zu erkennen war: Das Konzil von Tours (567) kennt eine doppelte Disziplin im Umgang mit dem Altar: auf der einen Seite wird festgelegt, dass kein Laie während der Feier der Liturgie zusammen mit dem Klerus in der Nähe des Altares stehen darf, auf der anderen Seite wird unterstrichen, dass jedem der Zutritt zum Altar gestattet ist, sei es zum Gebet oder um die Kommunion zu empfangen: "Ad orandum et communicandum laicis et foeminis, sicut mos est pateant sancta sanctorum" («Concilium Turonense», in Concilia Galliae 511-695, ed. C. de Clercq, (CCSL 148A) Turnhout 1963, 178). Hier handelt es sich wohl um einen alten und gut bezeugten Brauch, an dem trotz einer neueren anderslautenden Bestimmung festgehalten wird (vgl. E. Mazza, «L'altare», 404).

Die Entwicklung von 568 bis 633 ist Zeugnis einer Entwicklung in der Ekklesiologie. Während der Brauch, dass alle zum Altar hinzutreten die Ekklesiologie der Kirchenväter bezeugt, die die eine Kirche dargestellt sieht in der einen gottesdienstlichen Versammlung um den Altar, in der jeder seinen ihm zustehenden Dienst verrichtet, gibt das 4. Konzil von Toledo schon Zeugnis der Unterteilung der Kirche in unterschiedliche Klassen: Der Klerus ist zu einer sozialen Klasse geworden, die von der Klasse der Laien unterschieden wird (vgl. Mazza,«L'altare», 405). Diese Sicht auf die Kirche als eine in Klassen unterteilte Gesellschaft bildet sich in der Feier der Liturgie nun nicht mehr nur in der Wahrnehmung von unterschiedlichen Aufgaben, sondern auch durch Ort und Art des Kommunionempfanges ab.

Auch den Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte ist die Kirche als hierarchisch strukturierte Gemeinschaft bewusst, in der jeder den ihm zukommenden Dienst wahrnimmt und den ihm zustehenden Platz einnimmt. Der klassische Text hierzu findet sich bei Clemens von Rom (~ 50-97/101) in seinem 1. Brief an die Korinther, in dem er über die Situation der Kirche in Rom in der 2. Hälfte des 1. Jh. berichtet (1 Clem ad Cor 40,5):
"Summo quippe sacerdoti (αρχιερεί) sua munera (λειτουργίαι) tributa sunt, sacerdotibus locus proprius adsignatus est, et levitis (λευίταις) sua ministeria (διακονίαι) incumbunt. Homo laicus (ο λαικός άνθρωπος) praeceptis laicis constringitur."
(Dem obersten Priester sind nämlich eigene Verrichtungen zugeteilt, auch den Priestern ist ihr eigener Platz angewiesen, und den Leviten obliegen eigene Dienstleistungen; der Laie ist an die Laienvorschriften gebunden.)
Auch wenn Clemens sich im 40. und 41. Kapitel seines Briefes klar gegen Unordnung bei der Feier der Liturgie wendet, so geht es ihm bei den ordnenden Hinweisen, aus denen oben ein Abschnitt zitiert ist, um das geordnete Wahrnehmen und Ausüben des Vorsteherdienstes und der anderen diesem und der Versammlung zugeordneten Diensten. Unterschiede beim Ort des Kommunionempfangs kennt er noch nicht.

Im 2. Vatikanischen Konzil wird der deutliche Wille der Konzilsväter sichtbar, sich wieder an einer Ekklesiologie und Theologie der Kirchenväter zu orientieren. In Bezug auf den Messordo heißt es in der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium 50: "Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden." Gleichzeitig ändert sich der Blick auf die Kirche: nicht mehr die in Klassen strukturierte Gesellschaft sondern das eine Volk Gottes, das in der Liturgie abgebildet wird als versammelt um den einen Altar in der Ausübung der unterschiedlichen Dienste und Aufgaben, wird in den Blick genommen. Diese Wiederentdeckung einer Ekklesiologie der ersten Jahrhunderte findet ihren Niederschlag in der Feier der Messe: Eine Trennung von der Kommunion der Priester am Altar und der Kommunion der Laien nach der Rezitation des Kommunionconfiteor an der Kommunionbank wird bewusst aufgegeben. Die Kommunionbank, die sich einerseits aus den Altarschranken und andererseits aus einem gedeckten Tisch entwickelt hatte, den man, gewissermaßen als Altarersatz vor die Altarschranken stellte, um dort die Kommunion des Volkes stattfinden zu lassen, wurde ebenso ersatzlos gestrichen. Nach der von allen gemeinsamen Rezitation des Herr ich bin nicht würdig findet nun die Kommunion aller statt. Im Ideal unterschiedslos an der gleichen Stelle, nämlich am Altar. Es gibt, außer praktischen Gründen, keine weitere Veranlassung, warum Priester am Altar kommunizieren müssten, während Laien nur Zutritt zur untersten Altarstufe haben. Einzig wird beibehalten, dass der Vorsteher (Bischof oder Presbyter) zuerst kommuniziert und dann austeilt: Was jemand nicht empfangen hat, das kann er auch nicht austeilen. Gleiches gilt für alle anderen, die die Kommunion austeilen.

In der Praxis ist hingegen eine gegenteilige Tendenz zu beobachten: anstatt die Gläubigen so nah wie möglich an den Altar herantreten zu lassen, werden sie vom Kommunionausteiler immer weiter vom Altar weggedrängt. Oft sieht man, wie derjenige, der die Kommunion austeilt, den Altarraum ganz verlässt, so dass der Empfangende nicht einmal mehr an die untere Stufe herantreten kann. In großen Gottesdiensten findet man häufig Orte der Kommunionausteilung, die in keinem Zusammenhang zum Altar stehen: da wird in Mittelgängen, an Taufbecken oder vor dem Eingangsportal ausgeteilt, manchmal sogar in einer Weise, die den Empfangenden zwingt, sich mit dem Rücken zum Altar zu wenden.
Mancher die Kommunion Austeilende meint, den Menschen so weit wie möglich entgegen gehen zu müssen, so wie Christus dem Menschen ja auch brüderlich entgegenkomme, übersieht dabei aber, dass er damit die, die teilhaben an dem einen Tisch des Herrn (1 Kor 10,21), noch weiter von diesem Tisch weghält, ja - unbewusst - den Altarraum als einen dem Priester und den besonderen liturgischen Diensten vorbehaltenen Raum klassifiziert (denn der Kommunionausteilende hat ja vorher schon - bewusst - am Altar kommuniziert).

Dass diese Überlegungen auch Auswirkungen auf die Konstruktion und den Ort des Altares haben müssen, sei hier nur am Rande erwähnt.

Aus den ersten Jahrhunderten wissen wir, dass der Altar in der Mitte des Volkes schnell von Schranken umgeben werden musste, um die Menge so weit von ihm wegzuhalten, dass man die am Altar erforderlichen Riten vollziehen konnte. Da standen also praktische Gründe im Vordergrund. In heutigen Kirchen, jedenfalls dort wo keine Notmaßnahmen ergriffen werden müssen, um den Altar und die dort Diensttuenden vor einer drängelnden Menschenmenge zu schützen, ist zu überlegen, wie wieder deutlich gemacht werden kann, dass beim Empfang der Kommunion das eine Volk Gottes um den einen Altar stehend abgebildet wird. Das 1. Eucharistische Hochgebet, der Römische Kanon, bringt dies deutlich zum Ausdruck: "Memento, Domine, famulorum famularumque tuarum et omnium circumstantium, quorum tibi fides cognita est et nota devotio, pro quibus tibi offerimus: vel qui tibi offerunt hoc sacrificium laudis [...]" - Gedenke, Herr, deiner Diener und Dienerinnen und aller die hier versammelt sind (omnium circumstantium - aller Umstehenden). Herr, du kennst ihren Glauben und ihre Hingabe; für sie bringen wir dieses Opfer des Lobes dar und sie selber weihen es dir (tibi offerunt - bringen es dir dar) [...]. Deutlicher ist hier der lateinische Text: alle Umstehenden, für die wir darbringen und die selber darbringen, während der deutsche Text statt Umstehenden den Begriff versammelt sind verwendet und zwei unterschiedliche Begriffe in Bezug auf das Opfer einführt: darbringen und weihen.

Für Paulus ist die Eucharistie Teilhabe (μετέχειν) am Tisch des Herrn (1 Kor 10,21). In der Feier der Eucharistie ist dieser Tisch des Herrn ein einziger für die Priester und für die Laien.

Eine Unterscheidung zwischen dem Altare als Ort des Opfers auf der einen Seite und einem anderen (nicht näher definierten) Orte des Kommunionempfangs auf der anderen Seite lässt heutige Sakramententheologie nicht zu. Die Eucharistie ist als das zu verstehen, was Christus uns hinterlassen hat: und das ist mit Sicherheit keine Trennung (des Ortes) von Opfer und Mahl (ausführlich bei E. Mazza, «L'altare», 407-410).