Übersetzung liturgischer Texte in missionarischem Geist (ergänzt 22.11.2023)

Veröffentlicht auf von Markus Tymister


In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium ruft Papst Franziskus die gesamte Kirche zu einer Erneuerung im missionarischen Geist auf. Die Ausbreitung der Freunde und Schönheit des Evangeliums ist ihm zentrales Anliegen. In Nr. 41 äußert sich der Papst zur Sprache, in der die Wahrheiten des Glaubens ausgedrückt werden:

Zugleich erfordern die enormen und schnellen kulturellen Veränderungen, dass wir stets unsere Aufmerksamkeit darauf richten und versuchen, die ewigen Wahrheiten in einer Sprache auszudrücken, die deren ständige Neuheit durchscheinen lässt. Denn im Glaubensgut der christlichen Lehre » ist das eine die Substanz […] ein anderes die Art und Weise, diese auszudrücken «. Manchmal ist das, was die Gläubigen beim Hören einer vollkommen musterhaften Sprache empfangen, aufgrund ihres eigenen Sprachgebrauchs und -verständnisses etwas, was nicht dem wahren Evangelium Jesu Christi entspricht. In der heiligen Absicht, ihnen die Wahrheit über Gott und den Menschen zu vermitteln, geben wir ihnen bei manchen Gelegenheiten einen falschen 'Gott' und ein menschliches Ideal, das nicht wirklich christlich ist. Auf diese Weise sind wir einer Formulierung treu, überbringen aber nicht die Substanz. Das ist das größte Risiko. Denken wir daran: » Die Ausdrucksform der Wahrheit kann vielgestaltig sein. Und die Erneuerung der Ausdrucksformen erweist sich als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben.«

Franziskus, Apostolisches Schreiben "Evangelii Gaudium" (24. nov. 2013), 41

Auch wenn der Papst hier nicht ausdrücklich zu Übersetzungen liturgischer Texte Stellung bezieht, so scheint es doch, dass man seinen Intentionen gerecht wird, wenn man Mission als Paradigma für die Erstellung neuer muttersprachlicher Texte heranzieht.

Die Instruktion Liturgiam authenticam der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zum Gebrauch der Muttersprache im Gottesdienst aus dem Jahr 2001, in der das Begriffspaar getreu und genau das vorherrschende Paradigma darzustellen scheint, ist wohl jetzt auf dem Hintergrund von Evangelii gaudium zu lesen und zu interpretieren.

Indem die lateinischen liturgischen Texte des römischen Ritus aus der Jahrhunderte langen kirchlichen Erfahrung in der Weitergabe des von den Vätern empfangenen Glaubens der Kirche schöpfen, sind sie selbst die jüngste Frucht der liturgischen Erneuerung. Damit dieses so große Erbe und die so großen Reichtümer bewahrt und durch die Jahrhunderte hindurch überliefert werden, soll man vor allem den Grundsatz beachten, dass die Übersetzung der liturgischen Texte der römischen Liturgie nicht in erster Linie ein kreatives Werk ist, sondern vielmehr erfordert, die Originaltexte in die Volkssprache getreu und genau zu übertragen. Zwar mag es erlaubt sein, die Worte so anzuordnen und Satzbau wie Stil so zu gestalten, dass ein flüssiger und dem Rhythmus des Gemeindegebetes angepasster volkssprachiger Text entsteht. Doch muss der Originaltext, soweit möglich, ganz vollständig und ganz genau übertragen werden, das heißt ohne Auslassungen und Zusätze, was den Inhalt betrifft, und ohne Paraphrasen oder Erklärungen. Die Anpassungen an die Eigenart und den Charakter der verschiedenen Volkssprachen müssen besonnen sein und behutsam vorgenommen werden.

Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instruktion "Liturgiam authenticam" (28. mar. 2001), 20

Bei der Übersetzung von Texten kann man entweder zielsprachenorientiert vorgehen, oder ausgangssprachenorientiert. Die Instruktion Liturgiam authenticam von 2001 sieht ein eher ausgangssprachenorientiertes Vorgehen vor: Die latenischen Formulierungen sind "getreu" und "genau" widerzugeben und man soll sich am lateinischen Satzbau orientieren. Das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium von 2013 scheint im Dienste der Mission eine eher zielsprachenorientierte Übersetzungsarbeit zu fordern. Die einseitige Orientierung an der Ausgangssprache birgt die Gefahr, dass wir "einer Formulierung treu [sind, aber nicht], die Substanz überbringen". Es geht darum, den Sinngehalt vollständig und unverfälscht widerzugeben aber in einer an der Zielsprache orientierten Form.

Diese Interpretation wird 2017 durch Papst Franziskus in seinem Motuproprio "Magnum principium", in dem es ausdrücklich um die Übersetzung liturgischer Texte geht, bestätigt:

Ziel der Übersetzung sowohl der liturgischen als auch der biblischen Texte für den Wortgottesdienst aber ist es, das Wort des Heils den Gläubigen zu verkünden, damit den Gehorsam im Glauben zu fördern und das Gebet der Kirche zum Herrn auszudrücken. Zu diesem Zweck muss einem bestimmten Volk durch dessen eigene Sprache das vermittelt werden, was die Kirche einem anderen Volk durch die lateinische Sprache mitteilen wollte.

Franziskus, Motu proprio "Magnum principium" (3.9.2017)

Die Treue zum Inhalt einesTextes kann, so Franziskus, nicht "immer anhand der einzelnen Worte beurteilt werden", sondern ergibt sich aus "Kontext der gesamten Mitteilungshandlung und entsprechend der eigenen literarischen Gattung". Franzsikus weist darauf hin dass es zudem einige besondere Ausdrücke gibt, die im Zusammenhang mit dem unversehrten katholischen Glauben zu sehen sind, und auf die besonders zu achten ist, aber eine Übersetzung muss sich ab sofort wieder (auch) an ihrer Treue zur Zielsprache messen lassen.

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J
Schon an mehreren Stellen wird in der letzten Zeit deutlich, dass wir - nicht nur was die Erstellung von muttersprachlichen liturgischen Texten angeht - in der Kirche an einem Paradigmenwechsel stehen.
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