Wer trägt die Fürbitten vor?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Wer trägt die Fürbitten vor?

"Nach dem Evangelium und der Homilie soll - besonders an den Sonntagen und gebotenen Feiertagen - das 'Allgemeine Gebet' oder 'Gebet der Gläubigen' wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden für die heilige Kirche, für die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt sind, und für alle Menschen und das Heil der ganzen Welt." (SC 53)

Die herausgehobene Stellung dieses Gebetes wird in Nr. 69 der neuen Grundordnung des Römischen Messbuchs von 2002 (GORM) angesprochen: "Im Allgemeinen Gebet beziehungsweise im Gebet der Gläubigen antwortet das Volk gewissermaßen auf das gläubig aufgenommene Wort Gottes, trägt Gott Bitten für das Heil aller vor und übt so sein priesterliches Amt aus, das es durch die Taufe empfangen hat."

Das Gläubigengebet hat sich in den östlichen Liturgien in der Form der Ektenien immer erhalten. Im römischen Ritus ist es im Laufe der Geschichte bis auf den Karfreitag und auf einige diözesane Bräuche untergegangen. In ihm nehmen die Gläubigen in hervorgehobener Weise ihre priesterliche Funktion war. Die im deutschen Sprachraum gebräuchliche Bezeichnung "Fürbitten" wird der Funktion und Stellung dieses Gebetes nicht gerecht. Es geht nicht nur um den Vortrag von Gebetsanliegen (Fürbitten), sondern es geht um die aktive Handlung des Betens überhaupt: Die Gemeinde wendet sich durch Christus im Heiligen Geist an Gott den Vater.

Wer aber soll nun die Gebetsanliegen/Intentionen vortragen? In den östlichen Liturgien ist die Frage geklärt: der Diakon, der die Aufgabe hat, die Gemeinde im Gebet anzuleiten; und genau darum geht es: Anleitung zu einem strukturierten gemeinsamen Gebet. Dies ist so wichtig, dass nicht irgendjemand diese Aufgabe erfüllen soll, sondern der Diakon, der durch die Weihe zu diesem Amt bestimmt und befähigt ist. In seiner Abwesenheit übernimmt in den östlichen Liturgien übrigens der Priester diese Aufgabe.

Die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch (AEM) von 1975 sieht diesbezüglich in Nr. 151 vor: "Nach der Einleitung des Priesters kann er [der Lektor], falls kein Diakon anwesend ist, die Gebetsmeinungen der Fürbitten vortragen."

In der Regel trägt auch im Römischen Ritus der Diakon die Intentionen des Gläubigengebetes vor. Dies wird für die Messe mit Diakon nochmals bestätigt in GORM 177: "Die Anliegen des Allgemeinen Gebets spricht der Diakon, nach der Einleitung des Priesters, in der Regel vom Ambo aus." Auch wenn der Vortrag der Intentionen vom Tisch des Wortes (Ambo) aus ein ganz eigenes Problem darstellt, so bleibt doch festzuhalten, dass der Vortrag Aufgabe des Diakons ist.

Für die Messe ohne Diakon regelt die Grundordnung in Nr. 138: "Nach dem Glaubensbekenntnis lädt der Priester, der am Sitz steht und die Hände gefaltet hat, die Gläubigen mit einem kurzen Wort zum Allgemeinen Gebet ein. Dann trägt der Kantor, der Lektor oder ein anderer vom Ambo oder von einem anderen passenden Ort aus zum Volk hin die Anliegen vor; das Volk antwortet darauf seinerseits mit einem Bittruf. Am Ende breitet der Zelebrant die Hände aus und beschließt die Fürbitten mit einem Gebet."

Hier wird die Sache nun schwierig: der Kantor, der Lektor oder ein anderer. Oft hat es sich eingebürgert, dass gerade bei Messfeiern in Verbindung mit Feiern der Kasualien (Taufe, Trauung, Ehejubiläum, Beerdigung) jemand aus der Verwandschaft der betroffenen Familien diese Aufgabe übernimmt. Oft ist das dann jemand, der weder mit der Situation des Vortrags von Gebetsintentionen vor einer Gemeinde, noch mit den technischen Gegebenheiten der Verstärkeranlage vertraut ist. Ein Verständnis von Sinn und Funktion des Gläubigengebetes und ein Bewusstsein, hier das Volk Gottes im Gebet anzuleiten und zu führen, ist oft noch weniger vorhanden. Nicht selten kommt es dann dabei zu grenzwertigen Situationen: Anliegen werden schnell und schwer- bis unverständlich vorgetragen; evtl. sogar am falschen Ort und zur falschen Zeit. Die Gemeindeakklamation wird mit vorgetragen und eine angemessene Zeit der Stille, in der jeder auch wirklich sein Gebet formulieren kann, wird nicht gegeben.

Es drängt sich bei dieser Praxis dann doch die Frage auf, ob hier nicht doch ein verkümmertes Verständnis und ein oberflächliches Umgehen mit dem Allgemeinen Gebet vorherrscht. Ein Sprecher trägt etwas vor. Ob das versammelte Gottesvolk sich dem anschließen kann, ob es aktiv teilnimmt oder nicht, wird zweitrangig. Eigentlich ist ja nur das wirklich wichtig, was der Priester macht. - Und damit sind wir wieder bei einem Liturgieverständnis angelangt, das von den Konzilsvätern des Vat. II eindeutig als reformbedürftig angesehen wurde.

Aus der Stellung die die Konzilsväter in der Liturgiekonstitution und das Messbuch dem Gläubigengebet zuweisen, ist eindeutig zu folgern, dass - in Abwesenheit eines Diakons, dem auch in der lateinischen Kirche die Führung der Gemeinde im Gebet zukommt - der Vortrag der Intentionen von einer darin geübten Person übernommen wird, die nicht nur verständlich am Mikrofon vorlesen kann, sondern auch über die Bedeutung dieser Aufgabe Bescheid weiß und in der Gemeinde die Stellung hat, die jemand braucht, wenn er die Versammlung bei der Wahrnehmung ihrer vornehmsten Aufgabe anleiten will.

Veröffentlicht in Fürbitten, Hl. Messe, Liturgie

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M
Vielen Dank für den sehr schönen Artikel
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