Am Anfang war das Mahl, Teil 1

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Am Anfang war das Mahl, Teil 1

Die geschichtlichen Wurzeln der Eucharistie wurden immer schon in den Worten und Handlungen Jesu beim Letzten Abendmahl gesucht. Moderne Liturgiewissenschaft hat daher zuallererst den Fokus auf eine literarisch-kritische und historische Analyse der diversen, in der Hl. Schrift überlieferten, Einsetzungsberichte gelegt.

In den letzten 2 Jahrzehnten wird hingegen das Bewusstsein immer größer, dass das Studium des Letzten Abendmahls innerhalb des Kontextes der verschiedenen (Gast-)mähler, an denen Jesus teilnahm und daher auch innerhalb des noch weiteren Kontextes der antiken/hellenistischen Mahlkultur zu verorten ist (vgl. P. F. Bradshaw - M. E. Johnson, Eucharistic Liturgies. Their evolution and interpretation, Collegeville, Minnesota 2012, 1).

Das, was Jesus beim Letzten Abendmahl tat, ist auf dem Hintergrund der Mahlkultur zu interpretieren, die er selber kannte und lebte. In der antiken Welt war Essen und Trinken der Mittelpunkt des sozialen Lebens. Ein solches Mahl hatte wohl auch immer eine religiöse Dimension, auch wenn diese nicht im Vordergrund stand. Nur auf dem Hintergrund dieser Mahlkultur ist zu verstehen, warum Jesus beim Letzten Abendmahl sein Opfer in Mahlgestalt feierte und uns hinterlassen hat, ihm dies zu seinem Gedächtnis nachzutun.

Dieser Ausgangspunkt hat natürlich Konsequenzen für das Eucharistieverständnis in einer Kultur zu Beginn des dritten Jahrtausends. Eucharistie als Opfer in Mahlgestalt ist nur dort vollständig nachzuvollziehen, wo das gemeinsame Mahl, mit den unterschiedlichen, mit ihm verknüpften Riten, weiterhin grundlegend im sozialen Leben (der Familie, des sozialen Umfeldes, der Gesellschaft) ist.

Mit anderen Worten: wer den Genuss und die sozial-religiöse Bedeutung des gemeinsamen Mahls nicht (er-)lebt, der wird auch die Eucharistie zutiefst nicht erfassen können.

In einem Umfeld, in dem das Mahl (vorzugsweise direkt aus dem Kühlschrank, aus der Mikrowelle oder vom Buffett) nur dazu dient, um die notwendige Nahrung aufzunehmen, und die mit ihm verbundene Ritualität nur der Aufrechterhaltung der notwendigen Disziplin dient, wird die Feier der Eucharistie ebenfalls verkümmern, nämlich zunehmend als Mittel zum Zweck erlebt werden.

Soweit wie das Mahl (das nun nicht mehr gemeinsam stattfinden muss) allein dem Zwecke der Nahrungsaufnahme dient, gerät die Eucharistie in Gefahr, nicht mehr als gemeinsame Mahlfeier (das Opfer Christi ist in der Eucharistie nun eben unter der Gestalt des Mahles gegenwärtig - das ist nicht unsere Entscheidung, sondern das Vermächtnis Christi) sondern allein als Ritus zum Zwecke der (magischen?) Herstellung der Realpräsenz Christi gesehen zu werden. Ein solcher Ritus kann dann auch vom Priester allein vollzogen werden. Das anwesende Volk Gottes wird zum Zuschauer, der dann von der ihm gereichten Kommunon profitiert. Was das Volk Gottes wärend des vom Priester zelebrierten Ritus macht, ist dann vollständig der je eigenen Frömmigkeit überlassen.

Auch geistliche Gemeinschaften sind von dieser Gefahr nicht ausgenommen. Es wäre interessant, einmal eine Untersuchung zu machen, in wie weit die Tischkultur einer Gemeinschaft Auswirkung auf das Eucharistieverständnis (Priorität der gemeinsamen Feier oder eher der individuellen Spiritualität) hat. Geht es beim gemeinsamen Essen nur darum, so schnell wie möglich die erforderliche Menge an Nahrung aufzunehmen, so läuft die Feier der Eucharistie gefahr, ebenfalls als Mittel zum Zweck gesehen zu werden. Dies äußert sich dann möglicherweise in einer Wortliturgie mit wenig biblischen Lesungen aber viel Kommentar (sog. "Statio" und Predigt) auf den großer Wert gelegt wird; anschließend daran dann möglichst schnell die Eucharistische Liturgie (meist ist dann der Altar schon vor Beginn der Messe bereitet und selten wird einmal vom 2. Hochgebet abgewichen), um zur Austeilung der Kommunion zu gelangen, auf die dann eine lange persönliche Danksagung folgt.

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