Warum stehen eigentlich Kerzen auf dem Altar?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Warum stehen eigentlich Kerzen auf dem Altar?

In Gegenden, in denen Kerzen zur üblichen Tischdekoration gehören, mag sich die Frage nach dem Sinn der Kerzen auf dem Altar oder in seiner Nähe auf den ersten Blick gar nicht stellen und man sortiert sie vielleicht innerlich schnell unter der Überschrift stimmungsvolles Beiwerk ein. Dennoch kann es interessant sein, kurz nach dem Sinn der Kerzen zu fragen.

Heilige Elemente, zu denen auch das Feuer gehört, sind in der Religionsgeschichte überall bekannt. Das Christentum hat sich allerdings von Anfang an eine strikte Beschränkung in Bezug auf heilige Handlungen oder heilige Materie auferlegt (vgl. A. Angenendt, Geschichte der Religiösität im Mittelalter, Darmstadt (4) 2009, 416). Während die Aussagen der Bibel über das Feuer als reinigendes, aber auch vernichtendes Element zwar stark die christlichen Vorstellungen von Himmel und Hölle, von Leben und Sterben mitgeprägt haben, kennt das Christentum allerdings kein 'heiliges Feuer' und die Liturgie benutzte anfangs "[...] Feuer nur im Kleinformat, in Gestalt brennender Kerzen" (Angenendt, Religiösität, 418).

Es war das Verständnis der Taufe als Erleuchtung, das zur Ritualisierung dieser Erleuchtung in der Osterkerze geführt hat. Die Osternacht war ja auch einer der ersten allgemeinen Tauftermine der Christenheit. So gesehen ist die Osterkerze bis heute noch die gemeinsame Taufkerze der Ortskirche, der Gemeinde. Zusätzlich zur Osterkerze wurde auch bald jedem Neugetauften eine eigene Taufkerze gegeben: Christus, das Licht der Welt, erleuchtet auch das Leben jedes einzelnen Christen. Der heutige Taufritus der Kirche weist daher auch eigens darauf hin, dass bei jeder Taufe die Osterkerze, die das Jahr über beim Taufbrunnen aufgestellt ist, angezündet wird. Von ihr wird dann auch die Kerze des Neugetauften angezündet. Ein Osterfeuer, das gesegnet wird und zum Entünden der Osterkerze dient, ist erst seit dem 7. Jahrhundert bekannt.

Vorher hatten sich allerdings die Kerzen schon im Totenkult ausgebreitet. Dem liegt die antike Auffassung vom Leben als einem Licht zugrunde, das bei der Geburt angezündet wird und im Tod wieder verlöscht (vgl. Angendendt, Religiösität, 418). Dort, wo auf den Gräbern ein Licht aufgestellt wurde, war das ein Hinweis auf den Glauben, dass das Licht des Lebens im Tod nicht ausgelöscht wird. Eine derartige Symbolik des Grablichtes konnten die Christen leicht übernehmen, da sie ihren Glauben an die Auferstehung gut zum Ausdruck bringt. Das in der Taufe überreichte Licht wird mit dem Tod nicht ausgelöscht, sondern leuchtet ewig, als hinweis auf das dem Menschen verheißene ewige Leben.

Schon immer hatten Christen die Nähe zu den Gräbern der Märtyrer gesucht, deren fürbittendem Gebet man schon im Leben großes Gewicht beimaß, so dass man zu den wegen ihres Glaubens im Gefängnis sitzenden Christen pilgerte, um sich ihrer Fürbitte zu versichern. Nach ihrem Tod suchte man weiterhin ihre Nähe. Auf ihrem Grab wurde die Eucharistie gefeiert und ihre Reliquien werden bis heute in den Altären oder unter ihnen beigesetzt. So wird jeder Altar zu einem Heiligengrab. Gleichzeitig war den Christen bewusst, dass die Heiligen schon jetzt in Gottes Herrlichkeit leben, also sind auch ihre sterblichen Überreste ein Zeichen für Gottes Nähe und Zuwendung. Der Altar mit seinen Reliquien wurde so zu einem Ort der besonderen Anwesenheit Gottes. In einer mittelalterlichen Kirche suchte man nicht nach einem Tabernakel, der erst wesentlich später eingeführt wurde, sondern nach dem Altar, bzw. man ging von Altar zu Altar um die dort beigesetzten Reliquien zu verehren und sich so der Anwesenheit Gottes zu versichern.

Aus dem Brauch des Grablichtes war der Brauch entstanden, die Heiligenreliquien, die bei der Kirchweihe in feierlicher Prozession in die Kirche getragen wurden, um im Altar beigesetzt zu werden, mit Kerzen zu begleiten. Diese Kerzen blieben dann nach der Altarweihe auf oder beim Altar (vgl. Angenendt, Religiösität, 418) stehen.

So wie wir heute das Ewige Licht beim Tabernakel kennen, brannten im Mittelalter Kerzen Tag und Nacht auf jedem Altar, als Zeichen des strahlenden Lebens, das nach dem Tode beginnt; sie sind also in erster Linie die Grablichter der Heiligengräber. Wachs wurde daher zu einer der wichtigsten Opfergaben. Bis heute werden die Kerzen, die vor den Bildern der Heiligen angezündet werden auch 'Opferkerzen' genannt. Nicht weil das dafür eingeworfene Geld das Opfer ist, sondern weil ursprünglich die Kerzen selbst, oder das Wachs, aus dem sie bereitet werden, als Opfer gebracht wurde. Auch wenn heute die Kerzen auf oder beim Altar nicht mehr Tag und Nacht brennen, so bringen sie weiterhin den Glauben der Christen an ein ewiges, nie verlöschendes Leben in Gottes Herrlichkeit zum Ausdruck.

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