Das 2. Hochgebet - ein Text aus dem 3. Jahrhundert?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Das 2. Hochgebet - ein Text aus dem 3. Jahrhundert?

Das 2. Eucharistische Hochgebet ist mit Sicherheit der am häufigsten verwendete Text aus der Fülle von 13 heutzutage im deutschen Sprachraum zur Verfügung stehenden Hochgebeten (HG 1-4, HG 'Versöhnung', HG für Messen mit Kindern 1-3, HG für Messen mit Gehörlosen, HG der Schweizer Synode 1-4). Die Häufigkeit seines Gebrauchs liegt sicher an seiner Kürze. Auf der anderen Seite sollte aber nicht übersehen werden, dass sich dieser kurze Text durch einen großen theologischen Reichtum vor allem in Bezug auf den österlichen Gedanken in der Danksagung und durch eine einfache und klare Strukturierung auszeichnet.

Das 2. Vatikanische Konzil hatte in Nr. 34 der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium als eines der Leitmotive für die Liturgiereform gefordert:

  • "Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein. Sie seien der Fassungskraft der Gläubigen angepasst und sollen im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen."

Was für die Riten gilt, ist auch für die Texte zu fordern. In Struktur und Inhalt kommt besonders das 2. Hochgebet diesem Anspruch nach, vor allem in seiner deutlichen Gliederung in drei literarische Einheiten: zwei Danksagungsstrophen und eine Bittstrophe.

Von seiner Herkunft her ist das 2. Hochgebet die Überarbeitung und Ergänzung eines Textes aus einer altchristlichen Kirchenordnung, der sog. Traditio Apostolica, einer der wohl wichtigsten Quellen für die Liturgie der christlichen Antike. Sie überliefert uns eine Zusammenstellung liturgischer Texte für alle wichtigen Vollzüge. Ein Autor ist nicht bekannt, die Zuschreibung an Hippolyt von Rom wird zunehmend aus gewichtigen Gründen angezweifelt (vgl. R. Messner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn 2001, 37). Die liturgischen Texte stammen wahrscheinlich aus Ägypten und aus Syrien (Antiochien), so auch das Eucharistiegebet, das hier von Interesse ist. Das griechische Orginal der Kirchenordnung ist nicht mehr vorhanden; es gibt vielmehr verschiedene Fragmente in unterschiedlichen antiken orientalischen Sprachen und in Griechisch, sowie eine lateinische Übersetzung (s. La Tradition apostolique de Saint Hippolyte. Essay de reconstitution, ed. B. Botte, 5. verbesserte Auflage, hg. A. Gerhards (LQF 39), Münster 1989). Im Allgemeinen wird der Inhalt der Traditio auf das 3. Jahrhundert datiert, was wohl auch auf das darin enthaltene Hochgebet zutreffen kann.

Im 3. Kapitel der Kirchenordnung finden wir das Gebet zur Weihe eines neu erwählten Bischofs, das fast wörtlich zum Gebet Bischofsweihe im nachkonziliaren Pontifikale geworden ist. Sofort im Anschluss daran beschreibt das 4. Kapitel den weiteren Ablauf der Eucharistiefeier unter Vorsitz des neugeweihten Bischofs: Nachdem dieser von allen den Friedenskuss empfangen hat, bringen die Diakone die Opfergabe über die der Bischof zusammen mit allen anwesenden Presbytern die Hände ausbreitet (inponens manus in eam cum omni praesbyterio) und das Danksagungsgebet, die 'Eucharistie' spricht.

Es folgt dann der vollständige Text eines Eucharistiegebetes. Dieser Text ist allerdings nicht als verbindliche Vorgabe zu verstehen, sondern als Beispiel oder Leitfaden. Wir befinden uns mit der Traditio Apostolica in einer Zeit, in der die schriftliche Fixierung liturgischer Texte erst langsam beginnt und die der Feier Vorstehenden i.d.R. die Gebete noch frei formulieren. Diesbezüglich heißt es in Kapitel 9 unserer Kirchenordnung:

Episcopus autem gratias agat (ευχαριστειν) secundum quod praediximus. Nullo modo necessarium est ut proferat eadem verba quae praediximus, quasi studens ex memoria, gratias agens deo; sed secundum suam potestatem unusquisque oret. Si quidem aliquis habet potestatem orandi cum sufficientia et oratione solemni, bonum est. Si autem aliquis, dum orat, profert orationem in mensura, ne impediatis eum. Tantum oret quod sanum est in orthodoxia.

La Tradition apostolique de Saint Hippolyte, cap. 9, ed. B. Botte, Münster (5)1989, 20.

Der Bischof sagt Dank (eucharistein), so wie wir es oben beschrieben haben. Es ist aber keineswegs notwendig, dass er die selben Worte, die wir oben geschrieben haben, vorträgt, als ob er sich bemühen würde, auswendig Dank zu sagen; sondern jeder einzelne bete gemäß seinen Fähigkeiten. Wenn jemand die Fähigkeit hat, ausreichend lang und feierlich zu beten, so ist es gut. Wenn aber jemand, wenn er betet, nur ein mäßiges Gebet vorträgt, so hindert ihn nicht, solange sein Gebet rechtgläubig ist.

Als nun in der Umsetzung der vom 2. Vatikanischen Konzil auf den Weg gebrachten Liturgiereform Papst Paul VI. am 20. Juni 1966 entschieden hatte, dass dem bis dahin im römischen Ritus einzig bekannten Römischen Kanon zwei oder drei Texte beiseite zu stellen seien, die entweder aus dem liturgischen Erbe der Kirche zu nehmen oder auch neu zu schaffen sind, besann man sich u.a. des seit 1963 in textkritischer Ausgabe vorliegenden Hochgebetes im 4. Kapitel der Traditio Apostolica. Hier glaubte man, einen ausreichend klaren und einfachen Text zu finden, der gut in der Liturgiegeschichte verankert ist und leicht dem literarischen Duktus anderer Texte des römischen Ritus anzugleichen sei.

In deutscher Übersetzung hat das Hochgebet der Traditio Apostolica folgenden Wortlaut

Der Herr sei mit euch.
A. Und mit deinem Geiste.
Erhebet die Herzen.
A. Wir haben sie beim Herrn.
Lasset uns danken dem Herrn.
A. Das ist würdig und recht.

(1) Wir danken dir, Gott, durch deinen geliebten Sohn Jesus Christus, den du, als die Zeit zur Vollendung gekommen war, uns gesandt hast als Erlöser, Heiland und Bote deines Willens. Er ist dein von dir untrennbares Wort, durch das du alles erschaffen hast. Nach deinem Ratschluss hast du ihn in den Schoß der Jungfrau gesandt. In ihrem Leibe hat er Gestalt angenommen und ist Mensch geworden. Als dein Sohn hat er sich offenbart, aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau geboren. Um deinen Willen zu erfüllen und dir ein heiliges Volk zu erwerben hat er leidend die Arme ausgebreitet, um vom Leid zu befreien, die an dich geglaubt haben.
Als er aus freiem Willen dem Leiden übergeben wurde, um den Tod aufzuheben, die Fesseln des Teufels zu sprengen, die Unterwelt mit Füßen zu treten, die Gerechten zu erleuchten und die Auferstehung kundzutun, nahm er das Brot und sagte Dank und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib der für euch gebrochen wird.
Ebenso nahm er auch den Kelch und sprach: Dies ist mein Blut, das für euch vergossen wird.
Wann immer ihr dies tut, tut es zu meinem Gedächtnis.

(2) Das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung feiernd bringen wir dir das Brot und den Kelch dar und danken dir, dass du uns würdig gemacht hast, vor dir zu stehen und dir den priesterlichen Dienst zu erweisen [ιερατευειν – sacerdotium exhibere].

(3) Und wir bitten dich, sende deinen Heiligen Geist herab auf die Gabe deiner Heiligen Kirche. Lass alle, die von den Heiligen [Geheimnissen] empfangen, eins werden und gib ihnen die Fülle des Heiligen Geistes zur Festigung des Glaubens in der Wahrheit, dass wir dich loben und preisen durch deinen Sohn Jesus Christus.

Durch ihn sei dir Ehre und Herrlichkeit, dem Vater und dem Sohn mit dem Heiligen Geist in deiner Heiligen Kirche jetzt und in Ewigkeit. A: Amen.

Traditio Apostolica 4 (eigene Übersetzung)

Gliederung in drei Strophen

Die Aufteilung des Textes in drei literarische Einheiten ist deutlich zu erkennen. Nach dem einleitenden Dialog folgt die erste Danksagungsstrophe, in der Gott Dank gesagt wird für seine großen Taten an den Menschen. Es handelt sich um einen wertvollen, schlichten und geradlinigen Text, der in einem kurzen Abriss die Heilsgeschichte aufgezeigt wird: von der Inkarnation und Geburt Jesu, bis zu seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung und dem letzten Abendmahl, in dem den Jüngern die Feier seines Todes und seiner Auferstehung anvertraut hat.

Es folgt eine zweite sehr kurze, aber in sich geschlossene literarische Einheit, deren Thema ebenfalls 'Danksagung' ist. Objekt der Danksagung ist aber nun nicht mehr das, was Gott in der Vergangenheit für uns getan hat, sondern das, was er nun an uns in dieser konkreten Feier der Eucharistie tut:

  • Das Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung feiernd, bringen wir dir das Brot und den Kelch dar und danken dir, dass du uns würdig gemacht hast, vor dir zu stehen und dir den priesterlichen Dienst zu erweisen.

Gott ist es, der uns würdig macht, ihm den priesterlichen Dienst zu erweisen in der Kongruenz des eigenen Lebens mit dem Leben Jesu wie auch bei der Feier der Eucharisie in der Darbringung der Gabe.

Die dritte Strophe ist die Bitte um den Heiligen Geist und die Fruchtbarkeit der Teilnahme an den Heiligen Geheimnissen (Kommunion): für die Teilnehmenden, d.i. für die Kirche, wird die Einheit und die Festitung des Glaubens erbeten.

Das Hochgebet kulminiert abschließend in der feierlichen und heiligenden Proklamation des Namens des dreifaltigen Gottes.

Die Tatsache, dass sich eine Bitte um den Heiligen Geist nach der dankenden Vergegenwärtigung des letzten Abendmahls findet, weist auf die syrische Herkunft (Antiochia) des Textes hin, während man bei Eucharistiegebeten ägyptischer Herkunft (Alexandria) eine doppelte Bitte um den Heiligen Geist findet, die sich in zwei Strophen aufteilt, von denen eine vor der dankenden Vergegenwärtigung des letzten Abendmahls steht und die zweite danach; auch finden sich die Bitten (Interzessionen) in den Hochgebeten des alexandrinischen Typus noch vor dem Sanctus.

Gegenüberstellung des Textes der Traditio Apostolica mit dem 2. Hochgebet

Das hier eingebundene pdf-Dokument enthält eine Synopse beider Texte. Die nur der TA eigenen Teile sind blau dargestellt, während die Hinzufügungen im neuen 2. Hochgebet grün hervorgehoben sind. Die Übersetzung des lateinischen Textes der Traditio versucht eine größtmögliche sprachliche Nähe zum Text des 2. Hochgebetes herzustellen, ohne jedoch die Abfolge der einzelnen Inhalte zu verändern:

Die Gegenüberstellung der beiden Texte, macht deutlich, welche Eingriffe in den Jahren der Erarbeitung 1966-1969 in den ursprünglichen Text vorgenommen worden sind. Quantitativ ist das Gebet der altchristlichen Kirchenordnung um etwa das doppelte erweitert worden. Gleichzeitig sind einige Textteile der TA weggefallen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die erste Danksagungsstrophe des Hochgebetes der Traditio Apostolica eine einzigartige Synthese der im 3. Jahrhundert bekannten Oster-Homilien bildet und deren Begrifflichkeiten und Ausdrucksweisen übernimmt. Die knappen Formulierungen des Gebetes riefen den Hörern Bilder und größere Zusammenhänge, die aus den Osterpredigten bekannt waren, ins Gedächtnis. Das Gebet der Traditio gibt der Eucharistiefeier auf diese Weise einen österlichen Charakter, der vorher in dieser Dimension nicht bekannt war. Bei der Erstellung des 2. Hochgebetes wurde nun nur das bewahrt, was auch heutigen Hörern unmittelbar verständlich ist, und das, was allein auf dem Hintergrund der Osterpredigten des 2. Jahrhunderts richtig klingt, wurde weggelassen (vgl. E. Mazza, Le odierne preghiere eucaristiche, Bd. 1, Bologna ²1991, 187-189).

Ausschlaggebend in der Überarbeitung war weiterhin die vorausgegangene Suche nach einer Grundstruktur des Hochgebetes römischer Liturgie, die sowohl auf die Überarbeitung von Texten aus dem Erbe der Tradtion als auch auf die Schaffung neuer Texte anzuwenden war.

Grundstruktur des römischen Eucharistiegebetes

Diese Grundstruktur besteht in erster Linie in einer Zweiteilung: (1) dankende Erinnerung und (2) Bitte für die Kirche. Ausschlaggebend der Gedanke, dass die Erinnerung an Gottes Handeln in der Geschichte und heute notwendig in das fürbittende Gebet für die Kirche münden muss.

Zu dieser Zweiteilung kommt dann noch der - in allen Quellen bezeugte - einleitende Dialog und ein abschließender Lobpreis, der in das Amen der Gemeinde mündet.

Den Römischen Kanon (das heutige 1. Hochgebet), der seit dem 6. Jahrhundert das einzige Hochgebet der römischen Kirche darstellte, einer solchen Struktur anzugleichen wäre ein schwieriges Unterfangen gewesen. Im Laufe seiner Entstehungsgeschichte ist er mit unterschiedlichen Elementen, so vor allem mit Interzessionen, angereichert worden, die den Eindruck eines feierlichen Rahmens um den Bericht des letzten Abendmahles, der im Zentrum steht, vermitteln. Daher auch die Entscheidung Pauls VI. im Juni 1966, den Text des Kanons anlässlich der Liturgiereform nicht zu verändern, sondern ihm weitere Hochgebete beiseite zu stellen.

Eingriffe in den Text des Hochgebetes der Traditio Apostolica

Drei entscheidende Eingriffe in das Eucharistiegebet der Traditio Apostolica sind zu verzeichnen. Zum einen wurde die Bitte für die Teilnehmer um die Festigung ihres Glaubens in der Wahrheit ergänzt um die ausdrückliche Erwähnung der hierarchisch strukturierten Kirche, zu der die himmlische Kirche derer, die schon in Gottes Vollendung wohnen und die irdische Kirche derer, die noch auf dem Weg zur Vollendung sind, gehören.

Zweitens wurde nach dem Vorbild des Römischen Kanons und anderer bekannter Hochgebete das Sanctus mit seiner Einleitung eingefügt, was allerdings die ursprüngliche Einheit der ersten Danksagungsstrophe unterbricht. An das Sanctus musste dann notwendigerweise auch eine neue Überleitung zum folgenden Text anschließen.

Der dritte entscheidende Eingriff betrifft die Bitte um den Heiligen Geist, die Epiklese. Man meinte im Römischen Kanon vor dem Bericht vom Abendmahl einen Text zu erkennen, der einer Bitte um den Heiligen Geist, der auf die Gaben herabkommen möge, damit Gott sie in Leib und Blut Christi wandle, ähnlich ist:

  • "Schenke, o Gott, diesen Gaben Segen in Fülle und nimm sie zu eigen an. Mache sie uns zum wahren Opfer im Geiste, das dir wohlgefällt: zum Leib und Blut deines geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus."

Auch wenn die Suche nach der Erwähnung des Heiligen Geistes im Römischen Kanon bis jetzt noch nicht zu einem erschöpfenden Ergebnis geführt hat, kann mit recht angezweifelt werden, ob der Kanon tatsächlich eine aus alexandrinischer Tradition bekannte doppelte Epiklese hat, oder Spuren einer solchen aufweist.
Jedenfalls meinte man in der doppelten Epiklese ein Element eines 'Typus des römischen Hochgebetes' erkennen zu können und diesem Vorbild sollte auch das Hochgebet der Traditio Apostolica angeglichen werden. Gleichzeitig stand eine theologische Mentalität im Hintergrund, die vor allem den Worten Christi, die er der Überlieferung nach bei der Einsetzung der Eucharistie gesprochen hat, konsekratorischen Wert zusprach. Wenn eine einzige Epiklese nach den Herrenworten im Hochgebet ihren Platz finden sollte, fürchtete man, die wandelnde Kraft der Einsetzungsworte könnte dadurch zugunsten einer alleinigen konsekratorischen Bedetung der Epiklese gemindert werden. Da die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi im Heiligen Geist geschieht, wollte man auf eine Bitte um die Herabkunft des Heiligen Geistes auch vor den Herrenworten nicht verzichten.
Daher wurde auf unglückliche Weise die einzige Epiklese des Hochgebetes der Traditio Apostolica aufgespalten und deren erster Teil - die Bitte um die Herabkunft des Geistes auf die Gaben - vor die dankende Vergegenwärtigung des letzten Abendmahls gesetzt und die in der Traditio nur implizit vorhandene Wandlungsbitte expliziert:

  • "Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus."

Leider wird so die große Danksagung durch eine Bitte unterbrochen und das Abendmahl Jesu aus der Danksagungsstrophe herausgelöst und der innere Zusammenhang der Epiklese, wie er in der Traditio Apostolica deutlich wird, verdunkelt. Im 2. Hochgebet haben wir nun die Bitte um den Heiligen Geist für die Wandlung von Brot und Wein und später noch eine zweite Bitte um den Heiligen Geist, der alle einen möge. Die deutsche Übersetzung des 2. Teils der Epiklese lässt sogar zwei gleichgeordnete Bitten erkennen:

  • "(1) Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und (2) lass uns eins werden durch den Heiligen Geist."

Schnell gerät dabei der innere Zusammenhang aus dem Blick: Gerade weil wir an Brot und Wein teilhaben, die durch die Kraft des Heiligen Geistes gewandelt worden sind, werden auch wir gewandelt und zusammengeführt in einen einzigen Leib. (Zur Kritik an der Aufspaltung der Epiklese vgl. A. Nocent, «Storia della celebrazione dell'eucaristia», in La liturgia, Eucaristia, hg. A. Chupungco (Anàmnesis 3/2), Genova-Milano ²1989, 251-252.)

Die konsekratorische Kraft der Worte Herrenworte

Es ist Glaube der Kirche, dass die Worte Christi die Wandlung von Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut bewirken. Allerdings nicht weil ein Priester sie hier und jetzt in der Liturgie wiederholt, sondern weil sie von Christus einmal gesprochen ewig wirksam sind (vgl. R. Taft, «Messa senza consacrazione?», in ders. A partire dalla liturgia, Roma 2004, 154-159).

So schreibt im 8. Jahrhundert der Hl. Johannes v. Damaskus, der 'letzte der griechischen Väter':

Es sprach Gott: 'Das ist mein Leib', und: 'Das ist mein Blut', und: 'Das tuet zu meinem Andenken.' Und durch sein allmächtiges Gebot geschieht es, bis er kommt. Denn so heißt es: 'Bis er kommt.' Und es kommt durch die Anrufung (Epiklese) als Regen auf dies neue Ackerfeld die überschattende Kraft des Hl. Geistes.

Johannes von Damaskus, Expositio fidei, IV, 13

Auch der 2. Patriarch von Konstantinopel, der Hl. Johannes Chrysostomus (+407) hatte schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts die wandelnde Kraft den einmal gesprochenen Worten Christi zugeschrieben und nicht ihrer notwendigen Wiederholung durch den menschlichen Priester:

Es ist nicht der Mensch der die Gaben zu Leib und Blut Christi macht, sondern es ist Christus selbst, der für uns gekreuzigt ist. Der Priester, als Gestalt (σχημα / figura) Christi spricht diese Worte aus aber ihre Kraft (δυναμις) und Gnade (χαρις) kommen von Gott. 'Das ist mein Leib', sagt Christus. Dieses Wort wandelt die vor uns bereitgestellte Gabe und wie das Wort 'wachset und mehret euch' einmal gesagt für alle Zeiten gilt und unserer Natur die Fähigkeit schenkt sich zu mehren, so vollendet das Wort 'Das ist mein Leib', einmal gesagt, das Opfer auf jedem Altar in jeder Kirche, seit damals bis heute und bis zur Wiederkunft des Herrn.

Johannes Chrysostomus, De Proditione Judae hom. 1,6, ed. J. P. Migne (PG 49) 380. Eigene Übers.

Es darf also nicht darum gehen, aus dem Hochgebet einzelne Worte oder Formeln herauszulösen, denen dann alleinig wandelnde, konsekratorische Kraft zugesprochen wird, sondern darum, das Eucharistiegebet als eine Einheit zu behandeln: Dankend erinnern wir uns Gottes großer Taten, von der Schöpfung bis zum Tod und der Auferstehung Christi, einschließlich des letzten Abendmahles, in dem Christus uns, seinen Jüngern, die Feier seines Todes und seiner Auferstehung anvertraut hat. Wir danken für Gottes Handeln an uns, in dieser Feier, in der er uns würdig macht, den priesterlichen Dienst (den die gesamte feiernde Versammlung vollzieht) auszuüben. Und wir bitten, um den Geist, der die Gaben wandelt und alle, die an ihnen teilhaben, zu der einen Kirche zusammenführt, für die wir in jeder Feier der Eucharistie besonders beten.

Die Einfügung sowohl mimetischer, also das Handeln Jesu beim Abendmahl nachahmender (in die Hand nehmen von Hostie und Kelch), und vor allem auch verehrender (Erheben von Hostie und Kelch, Kniebeuge) Gesten ist späteren Datums (1. Hälfte des 2. Jahrtausends!) und darf daher nicht zur Interpretation des Textes herangezogen werden. Die Traditio Apostolica kennt als einzigen vom Bischof und den ihn umgebenden Presbytern während des Hochgebetes zu vollziehenden Gestus die Handausbreitung über die Gaben.