10. November 2013: 32. Sonntag im Jahreskreis

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

10. November 2013: 32. Sonntag im Jahreskreis

Das Tagesgebet der Hl. Messe am 32. Sonntag im Jahreskreis lautet im Messbuch 1970-2002 wie folgt:

Omnipotens et misericors Deus, universa nobis adversantia propitiatus exclude, ut, mente et corpore pariter expediti, quae tua sunt liberis mentibus exsequamur.

Allmächtiger und barmherziger Gott, wir sind dein Eigentum, du hast uns in deine Hand geschrieben. Halte von uns fern, was uns gefährdet, und nimm weg, was uns an Seele und Leib bedrückt, damit wir freien Herzens deinen Willen tun. (Übertragung: Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe 1975)

Im Messbuch von 1962 (und davor) finden wir den Text als Oration des 19. Sonntags nach Pfingsten.

Der Schott von 1961 übersetzt folgendermaßen: Allmächtiger und barmherziger Gott, halte gnädig alles Widrige von uns fern, damit wir ohne Hemmungen für Seele und Leib mit freiem Herzen Deinem Dienst obliegen.

Die Oration ist zum ersten Mal bezeugt im Altgelasianischen Sakramentar (Nr. 1234) als Oration einer Sonntagsmesse. Auch wenn die uns überlieferte Handschrift im 8. Jh. auf fränkischem Boden entstanden ist, finden wir in ihr vor allem älteres Material römischen Ursprungs, das in den Titelkirchen für die von den Presbytern geleitete Liturgie Verwendung fand. Die Knappheit und Nüchternheit der Oration weist auf ebensolchen römischen Ursprung hin. In der deutschen Übertragung von 1975 wird zusätzlich das biblische Motiv in Gottes Hand geschrieben aus Jes 49,16 eingefügt, um die Wendung universa nobis adversantia propitiatus exclude (verjage gnädig alles Widrige) für heutige Ohren in unserem Sprachgebiet leichter begreifbar zu machen.

Auch in diesem Fall wird (wie schon beim Tagesgebet des vergangenen Sonntags) deutlich, wie ab 1970 aufgrund der Vorgaben der damals gültigen Übersetzerinstruktion De interpretatione textuum liturgicorum vom 25.1.1969 mit den lateinischen Texten verfahren wurde. Die Instruktion sagt in Nr. 8, dass es "[...] bei der Übertragung einer Botschaft von der einen in eine andere Sprache [darum geht,] den Inhalt der Botschaft gedanklich freil[zu]egen, um ihm dann eine andere, genaue und treffende Form zu geben." (EDIL/DEL Dok. 90, 1207). Unter Zuhilfenahme des biblischen Motivs wird der Botschaft des Textes hier sicher eine andere Form gegeben, die aber der Grundaussage nicht entgegensteht. Gerade das Altgelasianische Sakramentar ist ein Beispiel, wie schon im 8. Jh. eine ähnliche (nicht dieselbe, denn damals ging es nicht um Übersetzung von Texten) Dynamik erkennbar ist: Den von den Menschen der nordalpinen Gegenden oft als zu nüchtern empfundenen Texten römischen Ursprungs werden reicher ausgestaltete Texte eigener Tradition beigestellt. Solche Ausgestaltungen bestehen u. a. häufig im Einfügen von zusätzlichen biblischen Motiven.

Im Gegensatz dazu legt die heute gültige Übersetzerinstruktion Liturgiam authenticam von 2001, auf deren Grundllage die neuen Übersetzungen des lateinischen Messbuchs von 2002 und aller weiteren liturgischen Bücher anzufertigen sind, fest:

Indem die lateinischen liturgischen Texte des römischen Ritus aus der Jahrhunderte langen kirchlichen Erfahrung in der Weitergabe des von den Vätern empfangenen Glaubens der Kirche schöpfen, sind sie selbst die jüngste Frucht der liturgischen Erneuerung. Damit dieses so große Erbe und die so großen Reichtümer bewahrt und durch die Jahrhunderte hindurch überliefert werden, soll man vor allem den Grundsatz beachten, dass die Übersetzung der liturgischen Texte der römischen Liturgie nicht in erster Linie ein kreatives Werk ist, sondern vielmehr erfordert, die Originaltexte in die Volkssprache getreu und genau zu übertragen. Zwar mag es erlaubt sein, die Worte so anzuordnen und Satzbau wie Stil so zu gestalten, dass ein flüssiger und dem Rhythmus des Gemeindegebetes angepasster volkssprachiger Text entsteht. Doch muss der Originaltext, soweit möglich, ganz vollständig und ganz genau übertragen werden, das heißt ohne Auslassungen und Zusätze, was den Inhalt betrifft, und ohne Paraphrasen oder Erklärungen. Die Anpassungen an die Eigenart und den Charakter der verschiedenen Volkssprachen müssen besonnen sein und behutsam vorgenommen werden.

Gottesdienstkongregation, Instrukiton "Liturgiam authenticam" (28.3.2001), Nr. 20

Ein Paradigmenwechsel im Umgang mit den lateinischen Ausgaben der liturgischen Bücher und in der Erstellung der Übersetzungen wird hier deutlich.

Veröffentlicht in Liturgie, Orationen, Übersetzung

Kommentiere diesen Post