Tauftheologie(en) im Neuen Testament?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Tauftheologie(en) im Neuen Testament?

Außerordentlich lesenswert: Paul Bradshaw, Early Christian Worship. A basic introduction to ideas and practice, London 2010 (2. Aufl.)

Nicht Lehrgebäude sondern Lebenserfahrung

Wie der Blick ins Neue Testament zeigt, hat Jesus seinen Jüngern nicht ein Gebäude von festgelegten Lehrsätzen hinterlassen, sondern eine Erfahrung, die ihr Leben grundsätzlich verändert hat. Diese einschneidende Lebenserfahrung wurde nach dem Tod und der Auferstehung Jesu von den Jüngern auf je eigene Weise artikuliert und weitergegeben.

Daher finden wir im Neuen Testament nicht eine einheitliche Tauftheologie und auch keine systhematisch-dogmatische Erklärung, was es bedeutet, Christ zu werden, sondern eine große Vielfalt in der Art, wie von dieser Lebenserfahrung gesprochen wird und unterschiedlichste Bilder, Symbole und Metaphern, mit denen Inhalte dieser einschneidenden Erfahrung an andere weitergeben werden. Aus dieser Erfahrung heraus ist allen gemeinsam das dringende Bedürfnis, andere Menschen an der Realität des Christseins teilhaben zu lassen; also den Glauben weiterzugeben.

Wie man aber nun Christ wird, ist im NT auf unterschiedlichste Weise und mit verschiedener Akzentsetzung dargestellt. Nicht einmal ein Bad oder Untertauchen in Wasser wird von Anfang an die Voraussetzung des Christwerdens gewesen sein, bildet sich als Teil der christlichen Initiation aber sehr früh heraus. Die Deutungen dieses Bades sind dabei allerdings unterschiedlich.

Das Neue Testament scheint implizit vorauszusetzen, dass der Brauch, diejenigen, die sich zum christlichen Glauben bekehrt haben, zu taufen, auf Johannes den Täufer zurückgeht. Allerdings kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, worauf die Praxis des Täufers selbst zurückzuführen ist und auch ist unklar, ob die Übernahme der Taufpraxis von den Christen schon mit Christus selbst, oder vielmehr erst in der Kirche nach seiner Auferstehung begann.

Alle drei synoptischen Evangelien berichten von der Taufe Jesu durch Johannes, lassen aber nicht erkennen, dass Jesus selbst seine Jünger getauft hätte. Das Johannesevangelium hingegen erwähnt nicht die Taufe Jesu durch Johannes, spricht aber von Jesus, wie er andere Menschen tauft (Joh 3.22,26; 4,1), bzw. von seinen Jüngern, die dies tun (Joh 4,2). Mt 28,19-20 enthält den Taufbefehl, die Aufforderung, hinauszugehen und alle Nationen auf den Namen des dreifaltigen Gottes zu taufen, aber es ist wahrscheinlich, dass es sich hier um eine aus der Erfahung kommende spätere Anfügung handelt.

In einigen frühen christlichen Gemeinden wird es jedoch schnell Brauch, neue Mitglieder in einem Prozess aufzunehmen, der eine Taufe mit Wasser einschließt, leider finden wir im NT allerdings fast keine Hinweise auf den Prozess der Vorbereitung und nur sehr wenige Aussagen, wie diese Taufe nun genau erfolgte.

Die Präferenz für fließendes/lebendiges Wasser in einigen späteren Quellen (vgl. auch Joh 7,38), lässt darauf schließen,dass die Taufe am Beginn, wenn möglich, in einem Fluß o.ä. vollzogen worden ist, nicht aber in einem häuslichen Becken mit stehendem Wasser. Paulus deutet die Wassertaufe in Röm 6,3ff. als Teilhabe an Tod und Auferstehung Christi, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Kandidaten vollständig im Wasser untergetaucht worden sind, was in häuslichen Becken wohl eher unmöglich war. Was zum Ritus des Untertauchens oder vollständigem Übergießens mit Wasser, während der Kandidat in einem nicht allzu tiefen Becken steht (ein später bezeugter Brauch, der aber die selbe Bedeutung wie das Untertauchen hat), noch hinzukam, wird im NT nicht explizit gesagt.

Einige Stellen im NT sprechen von der Taufe Im Namen Jesu (z. B. Apg 2,38), was darauf hindeutet, dass der Name Jesu auf irgendeine Weise während der Taufe angerufen wurde; z. B. in Form einer Aussage in der Art Ich taufe dich im Namen Jesu, wie in späteren syrischen Quellen bezeugt; aber es kann nicht gesagt werden, dass dies die einzige Weise war. Vielleicht ging es auch um eine Form eines Bekenntnisses des Glaubens an Jesus, das der Kandidat im Augenblick der Taufe ablegte, wie wir es in späteren westlichen Quellen finden.

Apg 2,38 spricht von der Notwendigkeit der Reue und Umkehr, die sicherlich in irgendeiner Weise vor der Taufe erklärt werden mussten. Dies deutet auf die Möglichkeit eines rituellen Dialoges vor der eigentlichen Wassertaufe hin. Apg 8,37 (nur in eingen Manuskritpen enthalten) schließlich scheint auf eine Art Glaubensbekenntnis hinzuweisen, das die Kandidaten in eingen Gegenden vor der Taufe ablegten: Ich glaube, dass Jesus der Sohn Gottes ist.

Spätere nordafrikanische und römische Quellen lassen eine postbaptismale Salbung und Handauflegung erkennen, während die frühe syrische Praxis wohl überhaupt keine auf die Taufe im Wasser folgenden Riten kannte, allerdings eine Salbung mit Öl vor der Taufe vorsah. Diese spätere Verschiedenheit weist darauf hin, dass die Vorstellung einer einheitlichen frühchristlichen Taufpraxis wohl nicht haltbar ist. Wenn einige Gemeinden eine Salbung und oder Handauflegung nach der Taufe kannten, so heißt das nicht, dass alle Gemeinden diesem Brauch folgten, umso weniger weil keine apostolische Direktive in dieser Hinsicht nachweisbar ist. Apg 8,14-17 (Handauflegung/Geistübertragung durch Petrus und Johannes auf die kürzlich von Philippus getauften Samariter), Apg 19,1-7 (auch hier folgt auf die Taufe die Handauflegung durch Paulus) sind wohl nicht Beschreibungen der üblichen Praxis, sondern vielmehr Berichte von Sonderfällen (die Hellenistenmission in Samaria brauchte die besondere Bestätigung der Apostel und die Johannesjünger brauchten die Taufe im Namen Jesu um den Hl. Geist zu empfangen). Auch kann man nicht davon ausgehen, dass die Taufe Jesu im Jordan als Modell für die Taufpraxis der frühen Christen heranzuziehen ist, da sie eine vollständig andere Bedeutung hat. Es ist auch an den Hinweis in Apg 10,44-48 (Taufe des Haushaltes des Cornelius) zu denken, bei der der Empfang des Geistes der Wassertaufe voraufgeht. So wie dieser Bericht in der Regel im Sinne eines Equivalentes zur Pfingsterfahrung der Apostel als Sonderfall gedeutet wird, verbietet nichts, auch die anderen beiden Tauferzählungen in der Apostelgeschichte als Berichte von besonders gelagerten Fällen zu deuten.

Man kann nicht einmal sagen, dass das Untertauchen im Wasser das einzige allgemein verbreitete Element frühchristlicher Taufriten war. Möglicherweise ist der Wasseritus am Anfang nur von einigen wenigen Gruppen vollzogen, während andere Gruppen andere Praktiken kannten, z. B. Salbung oder Fußwaschung, die als begleitende Riten zur Wassertaufe im mehr standartisierten Inititationsprozess späterer Jahrhunderte überlebt haben.

Bilder und Metaphern

Unterschiedliche Metaphern und Bilder für die Taufe begegnen uns im neuen Testament. Dies stützt weiter die These, dass es von Region zu Region und von Gruppe zu Gruppe unterschiedliche liturgische Bräuche gegeben hat. So ist das, was wir im NT finden, keine standardisierte Tauftheologie, die von allen Christen so geteilt wurde, sondern vielmehr eine ganze Reihe von unterschiedlichen Möglichkeiten der Interpretation und des Ausdrucks dessen, von dem man überzeugt war, dass es geschieht, wenn ein Mensch Christ wird:

  • Hebr 6,4; 10,32 spricht von den Getauften als Erleuchteten. Der Gedanke kehrt in 1 Petr 2,9 wieder: "Gott hat dich von der Dunkelheit in sein wunderbares Licht gerufen."
  • Joh 3 verwendet die Metapher der Wiedergeburt in Wasser und Hl. Geist. Eine Deutung, die wir auch in Tit 3,5 wiederfinden, wenn von dem Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Hl. Geist die Rede ist.
  • In der Apostelgeschichte hingegen wird die Sündenvergebung und die Übertragung des Geistes betont (z. B. Apg 2,38).
  • Im Kontrast zu diesen Vorstellung scheint die Tauftheologie des Hl. Paulus zu stehen, deren primäres Bild die Vereinigung mit Christus durch die Teilhabe an seinem Tod und seiner Auferstehung ist (vgl. Röm 6,2ff und Kol 2,12).
  • Paulus kennt allerdings auch andere Metaphern:
    • Christen besiegelt als Gottes Volk (2 Kor 1,22; Eph 1,13-14; 4,30). Ein ähnliches Thema findet sich in Offb 7,30. Diese Metapher scheint aus dem Bereich der Wirtschaft und des Handels übernommen zu sein, in dem ein Siegel die Übereignung an einen neuen Eigentümer bezeichnete: Christen waren einst Sklaven der Sünde und sind nun als zu Gott gehörend besiegelt (vgl. Röm 6,16-23)
    • In Gal 3,27 finden wir die Deutung der Taufe als Bekleidung mit dem neuen Kleid: der Getaufte hat Christus angezogen. Kol 3,9-10 und Eph 4,22-24 sprechen vom Ablegen des Alten und Anziehen des Neuen Menschen. Ein ähliches eschatologisches Bild findet sich in 2 Kor 5,2-3 wenn vom Bekleiden mit dem himmlischen Leib die Rede ist. Eine Vorstellung die gut durch die Erfahrung beeinflusst sein kann, dass Taufkandidaten sich vor der Taufe auszogen um nach dem Untertauchen im Wasser neu eingekleidet zu werden (eine Praxis, die zwar nicht im 1. Jh., aber in späteren Quellen gut bezeugt ist).
      • In den Bereich dieser Deutung fallen evtl. auch zwei Schriftstellen, die Exegeten lange Zeit vor Probleme gestellt haben: Mk 14,51-52 (der junge Mann, der bei der Verhaftung Jesu sein Leinentuch fallen lässt und nackt flieht) und Mk 16,5 (der junge Mann, der in weißes Leinen gekleidet zur Rechten des leeren Grabes sitzt) . Einige Exegeten versuchen diese beiden Stellen als Bild der Taufe zu verstehen; eine sicherlich attraktive Möglichkeit, das Problem ihrer Deutung zu lösen.
  • Letztendlich ist noch hinzuweisen auf 1 Joh 2,20.27, wo von der Salbung mit dem Hl. Geist die Rede ist. Diese Vorstellung ist zu unterscheiden von dem paulinischen Bild des Besiegeltwerdens mit dem Hl. Geist. In der israelitischen Tradition wurden Priester und Könige zum Zeichen ihrer Erwählung durch Gott gesalbt (vgl. 1 Sam 16,1-13). Der Begriff Messias selbst meint auf Hebräisch "den Gesalbten" (griechisch "Christos", lateinisch "Christus"), und so ist es nicht überraschend, dass frühe christliche Schriftsteller von Christus als dem von Gott mit dem Hl. Geist gesalbten gesprochen haben (vgl. Lk 4,16; Apg 4,27; 10,38). Da Christen in ihrer Taufe den selben Geist empfangen, ist es nur ein kleiner Schritt, dass auch sie gesalbt werden, wie Jesus gesalbt ist. All dies leitet über zur Praxis der Salbung mit Öl als taufbegleitendem Ritus, wie wir ihn in späteren Quellen finden.

Alle diese unterschiedlichen Elemente, Metaphern und Bilder drücken die eine Realität des Christwerdens, des Zu-Christus-Gehörens aus, machen aber auch deutlich, dass eine Angst vor der Vielfalt unterschiedlicher Deutungen und Erklärungen im frühen Christentum nicht angelegt ist.

Im heutigen römischen Taufritus finden wir viele dieser Elemente in den die Taufe einrahmenden, vor allem in den sie ausdeutenden Riten wieder:

  • Der ritualisierte Dialog mit Glaubensbekenntnis.
  • Die Salbung mit dem Chrisam, als Zeichen der Auserwähltseins und der Zugehörigkeit zu Christus, dem Priester, König und Propheten.
  • Die Überreichung des Taufkleides, als Zeichen für das Bekleidetwerden mit Christus, mit dem neuen Leben.
  • Die Überreichung der Taufkerze als Zeichen der Erleuchtung durch Christus.

Veröffentlicht in Theologie, Taufe, Sakramente

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