Allerheiligen, Halloween und die "dunklen Seiten des Menschen"?

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Allerheiligen, Halloween und die "dunklen Seiten des Menschen"?

Die Diskussionen über Sinn oder Unsinn von "Halloween" in diesen Tagen bringen nun auch zunehmend häufiger zu Tage, dass der Ursprung des Wortes "Halloween" im Vorabend von Allerheiligen "All-hallows-eve" zu finden ist. Dies ist, wenn es um die Herkunft des Wortes geht, mit Sicherheit richtig. Wenn es um die Herkunft der Halloween-Bräuche (von einem "Fest" kann man in Bezug auf Halloween nicht reden, es sei denn, man möchte denen, die Geld daraus machen, das Wort reden) geht, dann ist das mit Sicherheit zu kurz gegriffen.

Manchmal ist sogar zu lesen, dass Allerheiligen und Halloween gemeinsame Wurzeln hätten, oder dass ihnen gemeinsame Traditionen zugrunde lägen. So zum Beispiel auf der Website der ev. Landeskirche in Baden:

Beiden Festen liegen (auch) christliche Traditionen zugrunde. Der Name „Halloween“ kommt von „Allhallows Eve“, dem Vorabend zu Allerheiligen. Weniger bekannt ist, dass die beiden ungleichen Feste eine inhaltliche Verbindung haben: Bei beiden geht es um die dunklen Seiten des Menschen und seine Beziehung zu Gott.

Ein Licht in dunkler Nacht - Über Reformationstag und Halloween

Um eines deutlich klar zu stellen: An Allerheiligen (und auch an Allerseelen) geht es NICHT um irgendwelche "dunkle Seiten des Menschen". Auch der Tod ist für einen Christen nicht die "dunkle Seite" des Menschen, wenn man unter "dunkel" etwas versteht, dass es abzulehnen, ja auszumerzen oder mit Riten und Bräuchen zu vertreiben gilt. Es geht um die Vollendung des Menschen in Gottes Herrlichkeit, um die Auferstehung, um Ostern. Das Allerheiligenfest kommt nicht umsonst aus einer zeitlichen Nähe zu Ostern und ist in England auf den 1. November gelegt worden, um den Bräuchen des keltisch-heidnischen Samhain-Tages ein christliches Weltbild entgegenzusetzen. Die Kelten begingen am 1. November (einschließlich Vorabend) ihr Ahnengedächtnis und den Beginn des neuen Jahres. Das Umherziehen von Seelen, bzw. die Angst davor, lässt sich mit Sicherheit als eines der Elemente dieses Gedächtnisses ausmachen. Allerheiligen hat hingegen ausdrücklich NICHTS mit Angst oder umherziehenden Seelen oder nicht vollendeten Toten zu tun.

Christen feiern Allerheiligen auch heute in weißer liturgischer Farbe; Gottesdienste sind bewusst festlich gestaltet, das österliche Halleluja wird gesungen. Zunehmend wird auch die Osterkerze nicht nur an Allerseelen sondern auch an Allerheiligen angezündet. Dem Beginn der dunklen Jahreszeit wird bewusst das Licht der Auferstehung entgegengestellt; der Idee von ruhelos umherziehenden Seelen wird der Glaube an die Auferstehung, an Geborgenheit, Gottes Liebe und ewiges Leben entgegengehalten.

Auf jeden Fall geht es Allerheiligen und Allerseelen um die Beziehung des Menschen zu Gott, eine Beziehung, die seit der Taufe unverbrüchlich steht; aus der ein Mensch nicht ausbrechen kann, denn Gott ist immer treu und seine Zuwendung zum Menschen ist an keine Bedingung geknüpft. Ob es im keltischen Samhain um eine Beziehung zu Gott ging, ist an anderer Stelle noch zu erörtern.

Gibt es im Menschen denn dann noch "dunkle Seiten"?

Eine Antwort finden wir im Ritus der Taufe. Nach dem Bad im Wasser, bzw. dem Übergießen mit Wasser finden wir drei Riten, die das Geschehen der Taufe ausdeuten:

  1. Chrisamsalbung
    "Der allmächtige Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, hat euch von der Schuld Adams befreit und euch aus dem Wasser und dem Heiligen Geist neues Leben geschenkt. Aufgenommen in das Volk Gottes werdet ihr nun mit dem heiligen Chrisam gesalbt, damit ihr für immer Glieder Christi bleibt, der Priester, König und Prophet ist in Ewigkeit."
    • Kann ein Glied Christi dunkle Seiten haben?
  2. Bekleidung mit dem weißen (!) Taufgewand
    "In der Taufe seid ihr eine neue Schöpfung geworden und habt - wie die Schrift sagt - Christus angezogen. Das weiße Gewand sei euch ein Zeichen für diese Würde. Bewahrt sie für das ewige Leben."
    • Neue Schöpfung mit dunklen Seiten?
  3. Übergabe der brennenden, an der Osterkerze (!) angezündeten Taufkerze
    "Ihr seid Licht geworden in Christus. Lebt als Kinder des Lichtes, bewährt euch im Glauben und geht mit allen Heiligen dem Herrn entgegen, wenn er kommt in Herrlichkeit."
    • Licht in Christus mit dunklen Seiten?

Der Taufritus ist ja schließlich keine Fiktion, kein Wunschdenken, sondern sakramentale Liturgie der Kirche. Das bedeutet auch, dass er bewirkt, was er bezeichnet und das haben wir Ernst zu nehmen. In der Taufe sind wir nun mal neu geboren und von den dunklen Seiten befreit! Das bedeutet nicht, dass das Leben des Menschen ohne Mühe und ohne Kampf gegen die dunklen Seiten der Welt einhergeht. Die Würde des Glaubens, das Licht der Auferstehung soll bewart werden zum ewigen Leben, das bedeutet auch Anstrengung. Aber diese Anstrengung geschieht in dem Bewusstsein, dass wir von den dunklen Seiten befreit sind, dass die dunklen Seiten (was auch immer man darunter versteht) keine Macht mehr über uns haben. In der Auferstehung Christi ist der Tot besiegt!

Christen wären gut beraten, wenn sie nicht irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen Halloween und Allerheiligen/Allerseelen suchen würden, sondern dem ausufernden Halloween-Brauchtum ihr eigenes christliches Brauchtum entgegenstellen würden, das schließt eben auch den Friedhofsbesuch an Allerseelen, die Gräbersegnung, das Totengedächtnis und das Anzünden von Kerzen (ohne Kürbis!) mit ein. Dazu kommt dann der Laternenumzug, Martinsgänse und Süßigkeiten für die Kinder an St. Martin; Nikolaus und die Sternsinger, all das gehört in die Zeit vor und nach Weihnachten und bildet sicherlich eine attraktive Alternative (auch für Kinder) zu anderem wiederbelebtem heidnischen Brauchtum, das sich auf den Abend des 31. Oktober beschränkt. Wenn Christen ihr eigenes Brauchtum betonen und leben, dann brauchen sie sich auch nicht dem Vorwurf auszusetzen, Spaßverderber zu sein, wenn sie die Sinnhaftigkeit von umherziehenden Kindern und Jugendlichen, die sich als lebende Tote verkleiden und von Erwachsenen Süßigkeiten erpressen, anzweifeln. Dass man Menschen nicht erpresst, ihnen nicht droht und ihre Häuser nicht mit Eiern bewirft, sollte schon Grundüberzeugung eines jeden Menschen sein, ob nun Christ oder nicht...

Oder ist das, was zu Halloween geschieht, nicht doch nur harmloses Getue von Kindern? Abgesehen davon, dass Drohungen, auch spielerische, niemals "harmlos" sein können, da Spiel nun halt den Ernst des Lebens abbildet, so zeichnet sich hier noch eine andere Tendenz ab: Die Bereitschaft, Halloween-Bräuche als "harmlos" zu bezeichnen, geht mit der wachsenden Bereitschaft einher, auch christliche Feste mitsamt ihrem Brauchtum als "harmlos" hinzunehmen. Christliche Feste sind alles andere als "harmlos". Es stimmt: sie sind friedlich und wollen niemandem schaden! Einen christlichen Festtag, zu dem anderen Menschen unangenehme Streiche gespielt werden, gibt es nicht. Aber christliche Feste haben eine Bedeutung, sie wollen Einfluss auf das Leben der Menschen haben, sie zurückführen zu dem einen guten Ursprung des Lebens. Christliche Feste verlangen eine Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt, eine Auseinandersetzung die auch weh tun kann, weil sie nicht selten eine Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensführung ist, weil sie die Offenheit für Änderungen beinhaltet, weil sie Menschen herausfordert, sich neu dem Leben zu stellen. "Harmlos" bedeutet nicht nur "frei von Agressionen" sondern auch "ohne größere Nebenwirkungen" (vgl.: http://www.wortbedeutung.info/harmlos/). Achtung: christliche Feste wollen nicht nur Nebenwirkungen, sondern vor allem Wirkungen haben!

Veröffentlicht in Brauchtum, Feste, Taufe

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