Sacrificium laudis - die Messe als Opfer

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Sacrificium laudis - die Messe als Opfer

Was bedeutet es, wenn man die Messfeier als Opfer bezeichnet? In vielen älteren Schriften findet sich oft noch die Rede vom "Heiligen Messopfer"; ein Ausdruck der mancherorts heute vermieden wird, da er als zu schwierig und/oder zu unverständlich erscheint.

Gemeinhin versteht man unter "Opfer" allein folgenden Vorgang: Ich gebe der Gottheit eine von mir verschiedene Gabe, um von ihr eine für mich notwendige/gewünschte Gegengabe zu erhalten. Auf diesem Hintergrund wird die Eucharistie manchmal als die Opferung von Brot und Wein verstanden, die Gott dann in den Leib und das Blut Christi verwandelt, durch deren Genuss wir die Nähe zu Gott erfahren; oder auch in dem Sinne, dass die Kirche nach der Wandlung Gott den Leib und das Blut Christi als eine von ihr (der Kirche) verschiedene Gabe opfert, um für uns Vergebung zu erlangen. Der erste dieser beiden Gedanken kommt auch in dem gerne zur Gabenbereitung gesungenen Gesang "Herr, wir bringen in Brot und Wein unsere Welt zu dir. Du schenkst und seine Gegenwart im österlichen Mahl." (Gotteslob 184) zum Ausdruck: Wir bringen Gott etwas, und er schenkt uns dafür etwas zurück. Beide Gedankengänge sind allerdings zumindest unvollständig.

Ist die Messfeier also ein immer wieder neues Opfern der Kirche, um Gottes Nähe und Vergebung zu erhalten? Oder ist sie gar eine Wiederholung des Kreuzesopfers Christi, so als wäre das einmalige Selbstopfer Christi, seine vollkommene Hingabe in den Willen des Vaters zur Erlösung der Welt, nicht ein für alle Mal ausreichend?

(Zu dem nun folgenden Gedankengang vgl. A. Adam, «Eucharistisches Hochgebet und Selbstopfer der Christen», in Gratias agamus. Studien zum Eucharistischen Hochgebet (FS Balthasar Fischer), hg. A. Heinz, Freiburg-Basel-Wien 1992, 5-10.)

Wenn sich die Kirche, dem Auftrag Christi Tut dies zu meinem Gedächtnis (vgl. Lk 22, 19-20 und 1 Kor 11,24-25) gemäß, zur Feier der Eucharistie versammelt, dann wird in dieser Feier Christi Erlösungstat, seine Selbsthingabe in den Willen des Vaters für das Heil der Welt, sein Opfer am Kreuz und seine Auferstehung unter sakramentalen Zeichen gegenwärtig. Die Zeitspanne und örtliche Distanz zwischen dem Opfer Christi und jeder einzelnen Eucharistiefeier sind annulliert: die Feier der Eucharistie fällt in eins mit der Selbsthingabe Christi am Kreuz und seiner Erhöhung. Daher ist die Messfeier nicht eine numerische Vervielfachung des Opfers Christi, sondern sie ist identisch mit dem Opfer Christi, das ein für alle mal ausreichend ist für die Erlösung der Welt. Wichtig ist festzuhalten, dass die Selbsthingabe Christi und seine Erhöhung als solche sakramental gegenwärtig sind und nicht nur die aus der Hingabe Christi entspringenden Früchte.

Neu hinzu kommt nun allerdings das Handeln der Getauften, die in der Taufe aufs innerste mit Christus verbunden sind.

Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein.

Röm 6,3-5

Das Verständnis der Taufe als Teilhabe an Christus ist unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis der Eucharistie: Durch die Taufe sind die Christen so eng mit Christus verbunden, dass sie sich - in der liturgischen Versammlung - als geheimnisvoller Leib Christi verstehen und bezeichnen dürfen. Wenn Christus sich also ganz dem Willen des Vaters überantwortet, so zieht er uns, seinen Leib, mit hinein in diese Dynamik der Selbstdarbringung. Die Kirche opfert also nicht von ihr wesenhaft verschiedene Gaben, sondern sie bringt sich selbst dar, in Einheit mit Christus, als geistige Opfergabe zur Verherrlichung des Vaters und zum Heil der Welt, als Opfer des Lobes.

Der Apostel Paulus beschreibt diese Dynamik wie folgt:

Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.

Röm 12,1

Wir, bzw. die Kirche bringen also nicht von uns verschiedene Gaben dar, sondern unter den Zeichen von Brot und Wein bringen wir mit Christus uns selber dar, d. h. wir selber überantworten uns ganz und vollkommen in den Willen des Vaters, so wie Christus es getan hat. "Christus bleibt der einzige Opferpriester und die allein erlösende Opfergabe. Aber er ist es in der Einheit mit seinem mystischen Leib, der Kirche" (A. Adam, «Eucharistisches Hochgebet» 5). Eine solche Selbsthingabe beinhaltet ein Leben der Christusnachfolge, die Bereitschaft des Menschen, sein Leben als Dienst an Gott und dem Nächsten zu begreifen in der ihm möglichen Hingabe an Gott und den Mitmenschen. Nicht ein Teil wird geopfert, um einen Teil zu erhalten, sondern in der Gemeinschaft der Kirche geben sich die Christen hin, um sich von Gott verwandeln zu lassen, um immer mehr zu werden, was sie sind: Leib Christi - Kirche. Nicht um den Kraftakt eines einzelnen Christen geht es, sondern um das Handeln der Gemeinschaft, der Kirche. Deshalb kann nur die Kirche als solche Eucharistie feiern. Das bewahrt uns auch vor einem überhöhten Anspruch an uns selbst. Jeder einzelne ist nur ein Glied des Leibes Christi, und so manches Mal stützt auch hier ein Glied das andere.

Nur auf diesem Hintergrund sind einige Aussagen unserer Hochgebete zu verstehen: Wenn vom Darbringen der Opfergaben die Rede ist, so bezeichnen diese Gaben Christus, mit dem wir in der Taufe zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden sind. In der Feier der Eucharistie gehen wir in diese Selbstdarbringung Christi ein.

Besser als in den Hochgebeten wird dieser Gedanke im Gabengebet der Messfeier des 1. Sonntags der Hl. 40 Tage vor Ostern ausgedrückt:

Nimm mit diesen Gaben uns selbst an und vereine unsere Hingabe mit dem Opfer deines Sohnes, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

1. Fastensonntag, Gabengebet: Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, Authentische Ausgabe, 1975

Im dritten eucharistischen Hochgebet heißt es auch: "Er [Christus] mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir wohlgefällt, damit wir das verheißene Erbe erlangen [...]."

Etwas komplexer gestaltet sich die Opferannahmebitte des vierten Hochgebetes: "So bringen wir dir seinen Leib und sein Blut dar, das Opfer, das dir wohlgefällt und der ganzen Welt Heil bringt. Sieh her auf die Opfergabe, die du selber deiner Kirche bereitet hast, und gib, dass alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im heiligen Geist, eine lebendige Opfergabe in Christus zum Lob deiner Herrlichkeit."

Auf dem Hintergrund, dass wir in der Taufe in Christus hinein getauft sind, gehen wir selber in diese Darbringung von Christi Leib und Blut ein: nicht wir bringen etwas von uns wesenhaft verschiedenes dar, sondern Christus bringt sich dar. Dies wird dann auch im zweiten Teil ausgedrückt, wenn wir bitten, dass wir "[...] ein Leib [Christi] werden im heiligen Geist, eine lebendige Opfergabe in Christus [...]."

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R
Die Erklärung Adams wirkt kompliziert. Die Aussage, dass in der Messe Leib und Blut Christi geopfert werden, ist zumindest missverständlich (auch in den Eucharistiegebeten III und IV). Diese Theorie konnte im Mittelalter erst entstehen, als man die Einsetzungsworte als Augenblick der Wandlung betrachtete. Denn dann erhob sich die Frage, was die Opfer-Aussagen nach den Einsetzungsworten bedeuten. Fasst man das Eucharistiegebet als Einheit auf, dann meinen "Opfer" / "Opfergabe" die (unkonsekrierten) Gaben von Brot und Wein, die der Hl. Geist sozusagen ergreift und zu Leib und Blut Christi macht.
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