Kann ein Priester die Messe alleine feiern? Stimmen aus Antike und Mittelalter

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Karthago (Ausgrabungen)
Karthago (Ausgrabungen)

Der Kirchenvater Cyprian (+ 258), von 248/249 bis zu seiner Verbannung und seinem Tod Bischof von Karthago, wendet in seinen Schriften den Begriff celebrare (feiern) zum ersten Mal in der Geschichte auf die Eucharistie an.

In einem seiner Briefe schreibt er:

Sed cum cenamus, ad convivium nostrum plebem convocare non possumus, ut sacramenti veritatem fraternitate omni praesente celebremus.

Cyprianus, Ep. 63, 16, ed. G. Hartel (CSEL 3/2), Wien 1871, 714

"Wenn wir jedoch unser Abendmahl halten, können wir nicht das Volk an unseren Tisch rufen, um das wahre Sakrament in Gegenwart aller Brüder zu feiern" (Cyprian, Brief 63, 16. Kapitel, übers. J. Baer (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, 60), München 1928).

Der Hintergrund ist die Auseinandersetzung, ob es Christen erlaubt sei, am Morgen die Eucharistie nur mit Wasser zu feiern, was wohl einige Gemeinden aus Vorsicht taten, um nicht am Geruch des Weines anschließend als Christen enttarnt zu werden. Cyprian argumentiert, dass Christen in der Feier der Eucharistie das tun müssen, was Jesus selbst getan hat, nämlich einen Kelch gefüllt mit Wein und Wasser darzubringen. Den Einwand, dass also dann Christen die Eucharistie nur am Abend feiern können, weil Jesus am Abend das letzte Abendmahl gefeiert habe, entkräftet Cyprian mit dem obigen Argument: abends ist die Versammlung der Gesamtgemeinde aufgrund der täglichen Verpflichtungen der Einzelnen nicht möglich, daher feiern Christen die Eucharistie auch am morgen, weil sie in ihr auch die Auferstehung Christi feiern. Zur Wahrheit des Zeichens bei der Feier der Eucharistie gehört für Cyprian also Brot und der Kelch mit Mischwein genauso wie die Versammlung der Gesamtgemeinde (die Gegenwart aller Brüder).

Theodulf (+ 821), Theologe am Hof Karls des Großen und von 798-818 Bischof von Orléans, schreibt am Beginn des 9. Jahrhunderts an den Klerus seiner Diözese:

Sacerdos missam solus nequaquam celebret, quia sicut illa celebrari non potest sine salutatione sacerdotis, responsione plebis, admonitione sacerdotis, responsione nihilominus plebis, ita nimirum nequaquam ab uno debet celebrari. Esse enim debent, qui ei circumstent, quos ille salutet, a quibus ei respondeatur. Et ad memoriam illi reducendum est illud dominicum: 'Ubicumque fuerint duo vel tres in nomine meo congregati, et ego in medio eorum.’ (Mt 18,20).

Thedulf v. Orléans, 1. Kapitular VII, in Capitula episcoporum, vol. 1, ed. P. Bommer (MGH), Hannover 1984, 129.

"Ein Priester darf die Messe diemals alleine feiern, denn so wie sie nicht gefeiert werden kann ohne den Gruß des Priesters, die Antwort des Volkes, die Aufforderung des Priesters und wiederum die Antwort des Volkes, so darf sie ohne Zeifel keineswegs von einem allein gefeiert werden. - Denn es müssen anwesend sein, diejenigen, die um ihn herum stehen, die er grüßt und von denen ihm geantwortet wird. Und es ist ihm also in Erinnerung zu rufen, was der herr gesagt hat: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dort bin ich in in ihrer Mitte.' (Mt 18.20)."

Die Tatsache, dass Theodulf die Notwendigkeit sieht, seinen Klerus diesbezügich mit deutlichen Worten zu ermahnen, sagt uns, dass wohl einige seiner Priester immer wieder die Messe allein, ohne Anwesenheit einer Gemeinde feierten, wahrscheinlich weil ihnen ein entsprechendes Stipendium gegeben wurde. Theodulf kennt durchaus die Möglichkeit, neben der Bischofsmesse, wenn dies notwenig ist, auch weitere Messen in der Intention einzelner Geber zu feiern; aber diese Messen müssen zeitlich so angesetzt sein, dass Priester und weitere Teilnehmer anschließend noch an der Eucharistiefeier des Bischofs teilnehmen können, wozu sie verpflichtet waren. Dabei geht Theodulf davon aus, dass die Geber des Stipendiums selbstverständlich an einer solchen Messe teilnahmen (vgl. Theodulf v. Orléans, 1. Kapitular XLV, in Capitula episcoporum, vol. 1, ed. P. Bommer (MGH), Hannover 1984, 141-142).

Wilhelm Durandus (+ 1296), Bischof von Mende seit 1285, schreibt in seinem Werk über die Architektur der Kirchen und die Liturgie Rationale divinorum officiorum:

Generaliter autem dicendum est quod illa est legitima missa in qua sunt sacerdos, respondens, offerens atque communicans, sicut ipsa precum compositio euidenti ratione demonstrat.

G. Durandus, Rationale divinorum officiorum IV,1,39, ed. A. Davril – T. M. Thibodeau (CCCM 140), Tournhout 1995, 254

"Im allgemeinen ist aber zu sagen, dass jene die legitime Messe ist, in der anwesend ist der Priester, ein Antwortender, Opfernder und Kommunizierender, wie schon die Struktur der Gebete deutlich aufzeigt."

Veröffentlicht in Messfeier, Privatmesse, Kapitularien

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T
Noch mal zu meiner ersten Reaktion, und dann zur Antwort darauf: ich merkte beim Wiederlesen, dass ich einen Fehler im Latein getippt habe (was ich absolut hassse): also "doctor ecclesiae" natuerlich.<br /> Und was die "Eremiten" betrifft, so kann ich nur wiederholen, dass die geschichtliche Lage auch hier viel bunter ist, als viele meinen. Eremitinnen und in monastischer Gemeinschaft lebenden Frauen z.B. wurde zeitweilig "Abstinenz" von der Eucharistiefeier und anderen Gottesdiensten empfohlen, und es gibt zuminest einen Text aus dem speaten 4. oder 5. Jhd., der diese Frauen anleitet, das Brot in ihrer eigenen Gemeinschaft zu "eucharistieren" (alles nachzulesen in "Gender Differences and the Making of Liturgical History") Also noch einmal: die Liturgiegeschichte ist sehr, sehr bunt, und ich denke, Liturgiewissenschaftler/innen erweisen der Kirche heute einen grossen Dienst, wenn sie diese bunte Vielfalt -- anstatt nur einer, vielleicht dominanten Leseweise -- sichtbar machen.
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R
Die Missa solitaria ist doch ein typisch westlich-katholisches Problem. Ein ostkirchlicher Priester wird wohl nie auf die Idee kommen, ohne Gemeinde eine Messe zu feiern, ebensowenig ein/e anglikanische/r Priester/in.
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T
Die liturgische Tradition ist allerdings viel breiter als diese wenigen Stimmen vermuten lassen> es gibt ganz andere Stimmen als die hier hervorgehobenen. So argumentiert z.B. der Hl. Peter Damian -- immerhin ein 'doctor ecclesia' -- dass die Messe sehr wohl von einem einzelnen Priester(-Eremiten) gefeiert werden kann, weil durch den Geist Gottes immer die ganz Kirche bei jeder einzelnen Feier anwesend sei. Und Peter Damian steht mit dieser Ansicht durchaus nicht allein.
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M
Drei Stimmen haben natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, der war auch nie beabsichtigt. Für die Zeit Cyprians ist die Sache relativ eindeutig; bei Theodulf ist anzunehmen, dass er in seiner Bischofsstadt "klassisch römische Verhältnisse" kopieren will, wie es ja auch in den großen Abteien seiner Zeit üblich war (s. Häussling, Mönchskonvent und Eucharistiefeier...). Allerdings hält sich dann die Vorstellung des Durandus, dass mindestens einer dabei sein muss, doch recht lang und schafft es in den CIC von 1917 und wird erst im CIC von 1983 außer Kraft gesetzt. Aber auch von dieser Regel hat es immer Ausnahmen gegeben. Lange Zeit verließen auch die Eremiten ihre Einsamkeit, um an der Eucharistiefeier teilzunehen. Das ändert sich natürlich, als sie sich selber zu Priestern weihen ließen....