Die Fußwaschung am Gründonnerstag

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Die Fußwaschung am Gründonnerstag

Mit Datum vom 6. Januar 2016 hat die römische Gottesdienstkongregation auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus hin die Rubriken für die Fußwaschung in der Abenmahlsmesse am Gründonnerstag im Messbuch und im Zeremoniale für die Bischöfe dahingehend geändert, dass als Teilnehmer an der Fußwaschung nicht nur Männer sondern auch Frauen zugelassen sind.

Papst Franziskus hatte schon am 20. Dezember 2014 an den Präfekten der Kongregation geschrieben:

Wie ich Ihnen schon persönlich mitteilen konnte, denke ich schon seit einiger Zeit über den Ritus der Fußwaschung in der Liturgie der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag nach, im Hinblick darauf, wie seine Durchführung so verbessert werden kann, dass sie die Bedeutung des Gestus, den Jesus beim letzten Abendmahl vollzogen hat, besser zum Ausdruck bringt; nämlich seine Hingabe bis zum Letzen für das Heil der Welt, seine grenzenlose Liebe.
Nach aufmerksamer Abwägung bin ich zu dem Schluss gekommen, eine Änderung an den Rubriken des Römischen Messbuchs vorzunehmen. Ich lege daher fest, dass die Rubrik, nach der die für die Fußwaschung ausgewählten Personen Männer sein müssen, dahingehend modifiziert wird, dass von jetzt an die Hirten der Kirche die Teilnehmenden an diesem Ritus aus allen Mitgliedern des Volkes Gottes auswählen können.

Papst Franziskus an Kard. Sarah, 20.12.14 (eigene Übersetzung)

Diesem Wunsch des Papstes ist die Kongregation nun nachgekommen und hat die Rubriken per Dekret entsprechend geändert. Die Verantwortlichen können nun eine kleine Gruppe von Gläubigen (parvum fidelium coetum) auswählen, die die Einheit und Vielfalt der Gemeinden zum Ausdruck bringt. Vorraussetzung ist also, dass die Teilnehmer an der Fußwaschung zu den Gläubigen (und damit sind in den vatikanischen Dokumenten Christen gemeint) gehören und dass es sich um eine kleine aber repräsentative Gruppe handelt. (Interessant ist in diesem Zusamenhang, dass die entsprechende Rubrik in der deutschen Ausgabe des Zeremoniale für die Bischöfe Nr. 301, Freiburg u.a. 1998, 100), im Gegensatz zur lateinischen editio typica von 1984 schon immer so formuliert war, dass Männer und Frauen gemeint sein konnten: "Akolythen oder Ministranten geleiten jene, an denen die Fußwaschung vorgenommen werden soll, zu den an geeigneter Stelle bereitgestellten Sitzen."

Der Ritus der Fußwaschung in der Geschichte der Liturgie

Die Evangelienperikope, die in der Abendmahlsmesse des Gründonnerstag gelesen wird (Joh 13,1-15) verweist auf die dienende Liebe des Herrn und Erlösers, der den Aposteln die Füße wäscht und ihnen den Auftrag gibt, auch einander den Dienst der Liebe zu erweisen: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe" (Joh 13,15). Auf diesem Hintergrund wird die Fußwaschung auch mandatum (Auftrag) genannt.

In der lateinischen Liturgie außerhalb Roms wird die Fußwaschung ab dem 4. Jahrhundert in der Taufliturgie greifbar, tritt aber dann in dem Maße immer mehr in den Hintergrund, wie sich die römischen Bräuche in der westlichen Welt weiter ausbreiten.

Die Fußwaschung am Gründonnerstag ist in der päpstlichen Liturgie selbst erst ab dem 12. Jahrhundert nachweisbar, wo sie nach der Vesper vollzogen wird. Über die Liturgie der römischen Kurie wird der Ritus dann auch in das nachtridentinische Messbuch von 1570 aufgenommen, aber auch hier nicht in sondern nach der Messfeier, die allerdings am Vormittag des Gründonnerstags stattfand:

Nach der Entblößung der Altäre, die vom Gesang des Ps. 21 begleitet war, versammeln sich zu geeigneter Stunde, auf ein Zeichen mit der Klapper hin, die Mitglieder des Klerus ad faciendum mandatum (um das "mandatum" auszuführen).
(Post denudationem Altarium, hora competenti facto signo cum tabula, conveniunt Clerici ad faciendum Mandatum. (Missale Romanum ex decreto Sacrosancti Concilii Tridentini restitutum [...], editio nona post typicam, Regensburg 1896, 160).)

Nach einer erneuten feierlichen, von Weihrauch begleiteten, Verlesung des Evangeliums (Joh 13,1-15) vollzog der Prälat oder Obere in einer Kathedral- oder Abteikirche die Fußwaschung an den anwesenden Klerikern (eine genaue Anzahl wird nicht genannt, wie auch im Johannesevangelium keine Anzahl der Jünger genannt ist). Auf die von Gesang begleitete Fußwaschung folgte das Vater unser, einige Versikel und die Schlußoration. Es handelte sich also um einen selbstständigen Wortgottesdienst, dem der jeweilige Obere in violetter Stola und violettem Chormantel vorstand. Erst mit der Reform der Karwoche vom 16. November 1955 erhielt die Fußwaschung zum ersten Mal ihren bis heute bekannten Platz in der Messe, nach dem Evangelium (und der Homilie) und wird auch in Pfarrkirchen möglich, ist dort aber nicht verpflichtend. Das Dekret zur Neuordnung der Karwoche von 1955 fordert auch nicht mehr, dass die Teilnehmer an der Fußwaschung Kleriker sein müssen.

Im Messbuch von 1962 finden die 1955 per Dekret neugeordneten Rubriken Aufnahme: nach dem Evangelium ist eine kurze Homilie sehr angebracht, in der auch das mandatum erläutert werden soll, dann werden die zwölf für die Fußwaschung ausgewählten Männer zu den entsprechenden Sitzen geführt. Nur das Messbuch von 1962 spricht von zwölf Männern, während die vorherigen und folgenden Bücher keine Zahl nennen.

Zur Bedeutung des Ritus

Vom 12. Jh. bis zum Messbuch von 1962 ist der Ritus durch einen deutlich mimetischen, d. i. nachahmenden, Charakter gekennzeichnet. Die Beschränkung auf die Kleriker unterstreicht, genauso wie die dann 1962 folgende Bestimmung, dass genau zwölf Männern die Füße zu waschen sind, den Willen, das nachzuahmen, was Jesus tat, als er den zwölf Jüngern die Füße wusch. Das Handeln Jesu wurde in erster Linie als an die Jünger (wobei die Zahl 12 symbolisch für die Gesamtheit zu verstehen ist) gerichtet verstanden, die dann den Auftrag empfingen, ebenso zu handeln.

Nun scheint im nachkonziliaren Messbuch Pauls VI. von 1970 allerdings der mimetische zugunsten eines verstärkt anamnetischen (erinnernd vergenenwärtigenden) Charakters in den Hintergrund getreten zu sein. Es geht weniger um das genaue Nachahmen des Handelns Jesu als um die erinnernde Vergegenwärtigung des Sinngehaltes seiner Tat, wenn neben dem Erfordernis der Zugehörigkeit zum Klerikerstand auch die Notwendigkeit der Zwölfzahl entfällt. Die Gesänge zur Fußwaschung (die auch schon im Messbuch von 1570 hier vorgesehen waren) unterstreichen dies: neben drei Antiphonen, die den Text des vorher verkündeten Evangeliums aufgreifen, stehen zwei Antiphonen, die den Auftrag (mandatum) zur Nächstenliebe (Joh 13, 34.45) in den Mittelpunkt stellen und eine Antiphon aus dem Hohenlied der Liebe (1 Kor 13,13); abgeschlossen wird der Ritus vom Gesang des antiken Hymnus (nun zur Gabenbereitung) Ubi caritas et amor, Deus ibi est ("Wo Güte und Liebe ist, da wohnt Gott"), später geändert in Ubi caritas est vera, Deus ibi est.

Wenn jetzt Papst Franziskus auch Frauen zur Fußwaschung zulässt und als Auswahlkriterium die Repräsentanz des Volkes Gottes, der Gemeinde, nennt, so kann man darin eine logische Weiterentwicklung des Übergangs vom mimetischen zum anamnetischen Charakter erkennen, was seiner im Brief an Kardinal Sarah geäußerten Intention zu entsprechen scheint, und die gleichzeitig der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft gerecht wird. Wenn man zudem mit Klaus Wengst (Das Johannesevangelium (Theologischer Kommentar zum neuen Testament 4/2), Stuttgart (2)2007, 102) davon ausgeht, dass "[...] der niedrige Sklavendienst der Fußwaschung, den Jesus hier an seinen Schülern vollzieht, seine Entsprechung in seinem niedrigen Sklaventod am Kreuz [hat]", dann ist dieser Tod durch die Fußwaschung als "[...] Tat dienender und sich hingebender Liebe [...]" qualifiziert. Eine Liebe, die in der Liturgie vergegenwärtigt und im Alltag gelebt werden soll.

Insofern scheint das Handeln des Papstes folgerichtig, wobei er selbst ja am Gründonnerstag schon vor der Änderung der Rubriken Frauen die Füße gewaschen hat und dies auch in vielen Kirchen schon länger üblich ist.

Unabhängig von Anzahl und Geschlecht derjenigen, an denen die Fußwaschung vollzogen wird, bleibt jedoch festzuhalten, dass Jesus nicht irgendwem die Füße gewaschen hat, sondern seinen Schülern. Die Handlung Jesu war eindeutig nach innen gerichtet und nicht nach außen. Er ist nicht durch Jerusalem gezogen, und hat allen, die es wollten, die Füße gewaschen; der Dienst war auf seine Schüler bezogen. Ihnen wird dann auch gesagt: "Begreift ihr, was ich an euch getan habe?" verbunden mit dem Auftrag "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe" (Joh 13,12.15). Der Auftrag dient in erster Linie zur Sicherung seiner Präsenz innerhalb der Jüngergemeinde auch nach seinem Tod und seiner Auferstehung; ja zur Sicherung des Überlebens dieser und der ihr folgenden Gemeinden. Die Parallele zur Eucharistie ist unübersehbar: Nicht nur berichtet Johannes dort, wo die Synoptiker von der Einsetzung der Eucharistie schreiben, über die Einsetzung der Fußwaschung; auch hat der Auftrag: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22,19) seine Entsprechung in Joh. 13,15: Handelt auch ihr so, wie ich an euch gehandelt habe.

In der Abendmahlsmesse des Gründonnerstages besteht die Möglichkeit, dass die versammelte Gemeinde nicht nur dem Auftrag Jesu "Tut dies zu meinem Gedächtnis" gemäß Brot und Wein zur Eucharistie darbringt und seine Gegenwart unter den Gestalten von Brot und Wein empfängt, sondern dass sie im Symbol auch auf die im Evangelium vorgetragene Frage "Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Handelt so, wie ich an euch gehandelt habe" antwortet, indem sie die Fußwaschung feiert und in ihr die Gegenwart des Herrn erfährt, der sich ihnen dienend hingibt. Die Weitergabe dieser dienenden Liebe geschieht dann durch die Mitglieder der Gemeine vor allem im Anschluss an die Liturgie im alltäglichen Leben. Der Doppelschritt ist auch hier derselbe, wie bei der Eucharistie: gestärkt durch die Gegenwart des Herrn in seiner dienenden Liebe, die in der Liturgie gefeiert wird, können Christen ihren Alltag nach dem Vorbild Christi gestalten.

Änderungen liturgischer Vorschriften

Die offene Frage bleibt allerdings, wie es zu einer Änderung von Rubriken kommt. Dass Dinge, die eine Zeit lang in der Liturgie getan werden, früher oder später auch in Rubriken festgelegt werden, ist zu Zeiten freier Entwicklung liturgischer Formen durchaus üblich gewesen. Auch steht es dem Papst als oberstem Gesetzgeber der Kirche mit Sicherheit zu, aus eigenem Antrieb liturgische Regeln zu ändern. Auf dem Hintergrund des Vorgehens bei der letzten großen Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil, bei der alle - auch die kleinsten - Details von Expertenkommissionen erarbeitet und im Dialog der Untergruppen mehrfach geprüft wurden, bevor sie von den Bischöfen des Liturgierates verabschiedet und vom Papst in Kraft gesetzt werden konnten, ist doch die Frage gestattet, ob der Papst seine Vollmacht als oberster Gesetzgeber nicht besser wieder im Dialog mit den Bischöfen und den Experten ausüben sollte. Wobei natürlich hier kein Urteil darüber gefällt werden kann, mit wem der Papst sich beraten hat. Manchmal wäre es aber hilfreich, die Beratungen und damit das dialogische Prinzip offen zu machen.

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Danke !<br /> <br /> Goethe 1788 in Rom: "Heute geh' ich nicht nach St. Peter und will ein Blättchen schreiben. Nun ist auch die heilige Woche mit ihren Wundern und Beschwerden vorüber, morgen nehmen wir noch eine Benediktion auf uns, und dann wendet sich das Gemüt ganz zu einem andern Leben. Ich habe durch Gunst und Mühe guter Freunde alles gesehen und gehört, besonders ist die Fußwaschung und die Speisung der Pilger nur durch großes Drängen und Drücken zu erkaufen..."
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