Die Osterzeit

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

Die Osterzeit

Das früheste Zeugnis über die Ausdehnung der Feier des Ostergeheimnisses auf 50 Tage finden wir bei Irenäus von Lyon (+ 202) in einem (verlorenen) Buch über das Osterfest: in quo mentionem etiam Pentecostes facit, in qua genu non flectimus - in dem er die Pentecoste erwähnt, die 50 Tage, an denen wir das Knie nicht beugen (zit. bei H. Leclercq, «Pentecote», in DACL 14,1, ed. F. Cabrol, Paris 1939, 261). Weitere Zeugnisse für das christliche Altertum finden sich auch bei Origenes und Tertullian.

In den ersten vier Jahrhunderten wurde die gesamte 50 Tage dauernde Zeit wie das Osterfest, wie ein einziger Sonntag gefeiert. So beschreibt es auch noch Ambrosius von Mailand (+ 397) in seinem Lukaskommentar:

Wenn nun schon die Juden den Sabbat in der Weise feiern, daß sie sowohl einen ganzen Monat wie ein ganzes Jahr als Sabbat betrachten, wieviel mehr müssen wir die Auferstehung des Herrn feiern! Darum eben haben wir der Überlieferung der Vorfahren zufolge sämtliche fünfzig Tage bis Pfingsten als Ostertage zu feiern, indem der Anfang der achten Woche Pfingsten bringt.

Ambrosius, In Lc 8,25

Leitgedanke für die Ausdehnung des christlichen Osterfestes über 50 Tage war dabei das jüdische Wochenfest (Lev 23,16; 2 Makk 12,32, Dt 16,9-12), das schon in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, gemäß seiner Datierung, als πεντηκοστή (ἡμέρα), als der 50. Tag (nach dem Pascha), bezeichnet wird.

Die Zahl 50 ist dabei nicht nur einfach eine Datumsangabe sondern auch Inbegriff der Vollkommenheit, der Schöpfung und Erlösung (7 Tage der Schöpfung x 7 +1). So wird schon im Alten Testament alle 50 Jahre das Jobeljahr (Lev 25,10) ausgerufen, das die Befreiung aller Bewohner des Landes bedeutet, also, wie ursprünglich jedes Fest, die Rückkehr in den guten Ausgangszustand bewirkt.

Erst ab dem 5. Jahrhundert rückt - statt der 50-tägigen Festzeit - der 50. Tag als zeitlich abgegrenzter Tag stärker in den Blick, der zunächst noch das Gedächtnis der Himmelfahrt einschließt, nun aber zunehmend wie ein selbstständiger Tag der Geistsendung gefeiert wird. Im Laufe der Jahrhunderte bekommt der Pfingsttag dann eine eigene Oktav (von der in Deutschland noch der Pfingstmontag als staatl. Feiertag übrig geblieben ist) und eine Vigil, die neben der Ostervigil zu einem der wichtigsten Tauftermine wird, während die Ostersonntage in der Zählung zu "Sonntagen nach Ostern" werden. Noch im Messbuch von 1962 folgt auf den Ostersonntag der Weiße Sonntag als 1. Sonntag nach Ostern und dann der 2., 3. usw. Sonntag nach Ostern.

Es war das Anliegen der Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil, die Osterzeit - bis Pfingstsonntag einschließlich - wieder stärker als eine Einheit, als ein einziges Fest hervorzuheben und damit die Konzeption der ersten vier Jahrhunderte aufzugreifen, so wie auch die östlichen Kirchen die 50-tägige Osterzeit mit dem Pfingstabend abschließen. Die Sonntage der Pentecoste heißen somit nicht mehr "Sonntage nach Ostern" sondern "Sonntage der Osterzeit", wobei der Ostersonntag der 1. Sonntag der Osterzeit ist und der Pfingstsonntag schließlich der 8. Sonntag der Osterzeit.

Die Datierung der Ausgießung des Hl. Geistes auf den 50. Tag (πεντηκοοστή) und ihre anschauliche Darstellung als akustisch und visuell wahrnehmbares Ereignis finden wir im Neuen Testament ausschließlich in der Apostelgeschichte. Aber auch hier soll nicht Bericht über eine zeitlichen Abfolge von Ereignissen erstattet werden, sondern es handelt sich um eine mit zeitgenössischen Mitteln gestaltete theologische Darstellung. Damit steht die lukanische Chronologie der Apostelgeschichte auch keineswegs im Widerspruch zur johanneischen Chronologie (Joh 20,19-23), die die Ausgießung des Geistes auf den Ostertag selbst datiert. Auch der 50. Tag ist biblisch-theologisch immer noch der eine große Ostertag.

Daher wird, nach der neuen Leseordung von 1969, am Pfinstsonntag als Evangelium dieser johanneische Bericht der Geistsendung am Ostertag, anstelle der früher hier vorgesehenen Geistverheißung aus den Abschiedsreden Jesu (Joh 14,23-31), gelesen. Als 1. Lesung am Pfinstsonntag bleibt Apg 2,1-11 ("Als der Pfingsttag gekommen war...").

Dadurch konnte dann auch die römische Liturgie in der Osterzeit die, in den anderen Liturgien übliche, Lesung von Perikopen aus der Apostelgeschichte übernehmen. Allein die röm. Liturgie laß vorher an den Ostersonntagen Abschnitte aus den apostolischen Briefen, die allerdings inhaltlich keine Verbindung zur Osterzeit hatten. Dies war zwar seit dem 8. Jahrhundert (Perikopenliste von Würzburg) bezeugt, ging allerdings auf eine schlecht gelungene Reform aus dem Jahr 750 zurück, in der die apostolischen Briefe einfach auf die Osterzeit verteilt wurden, weil man sie anderweitig nicht unterzubringen wusste (vgl. A. Chavasse, «Les plus anciens types du lectionnaire et de l'antifphonaire romains de la messe. Rapports et date», Revue Bénédictine 62 (1952), 90-91). In der neuen Leseordung finden sich thematisch eher passende Auszüge aus den apostolischen Briefen als 2. Lesung an den Ostersonntagen.

In der Auferstehung Jesu und der Aussendung des Hl. Geistes (die nach der johanneischen Chronologie und der Theologie der Apostelgeschichte untrennbar zusammengehören) entsteht die Kirche, über deren Konstituierung die Apostelgeschichte berichtet. Durch die Auswahl der Lesungen ergibt sich, knapp skizziert, folgende Thematik der Ostersonntage:

1. Ostersonntag: Christus ist auferstanden.

2. Ostersonntag: Die Gemeinde/Gemeinschaft aller, die an Christus, der gestorben und auferstanden ist glauben (Sonntag des Hl. Thomas).

3. Ostersonntag: Der Auferstandene erscheint den Seinen.

4. Ostersonntag: Das Heil kommt durch Christus, er ist die Tür zum Stall und der Gute Hirte, der sein Leben für die Schafe gegeben hat (= Ostern).

5. Ostersonntag: Die Gemeinde konstituiert sich: die Dienste und das Leben in der gegenseitigen Liebe.

6. Ostersonntag: Die Ausbreitung der Gemeinde durch die Ausgießung des Geistes.

7. Ostersonntag: Zeugen der Auferstehung

8. Ostersonntag: Aussendung des Geistes an Ostern = Pfingsten (gleichzeitig die Klammer zum 1. Ostersonntag).

Die Lesungen aus der Apostelgeschichte verbinden die römische Liturgie mit den anderen Liturgien und zeichnen gleichzeitig das Bild der in der Auferstehung/Geistsendung grundgelegten Kirche.

Der Pfinstmontag gehört allerdings nicht mehr zur Osterzeit, die mit der Vesper des 50. Tages endet, sondern ist ein Relikt der alten Pfingstoktav. Das deutsche Messbuch hat zwar ein eigenes Messformular in roter Farbe für diesen Tag, allerdings bewusst ohne Pfingst- oder Hl. Geistpräfation (es wird stattdessen die 8. Präfation für Sonntage angeboten), während in der Stundenliturgie der Montag der entsprechenden Woche der Zeit im Jahreskreis gefeiert wird. Daher erhält die Osterkerze am Abend des Pfinstsonntages ihren Platz am Taufbrunnen, an dem sie die weitere Zeit im Jahreskreis stehen bleibt.

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