Von Trient bis zu den Anfängen der Liturgischen Bewegung

Veröffentlicht auf von Markus Tymister (Übersetzung aus dem Italienischen)

Von Trient bis zu den Anfängen der Liturgischen Bewegung

Anna Maria Burlini Calapaj, «Le istanze di riforma prima del Vaticano II», Rivista di pastorale Liturgica 2013/6, 21-26, hier 22-24 (siehe auch im Blog von Matias Augé):

Obwohl in der Promulgationsbulle des Messbuchs von 1570 gesagt ist, dass der Revision der liturgischen Texte damals eine aufmerksame historische Untersuchung voranging, so war diese doch begrenzt auf eine schnelle Gegenüberstellung mit einigen mittelalterlichen Manuskripten. Mehr lies der damalige Stand der liturgiehistorischen Forschung auch nicht zu. Am Ende des 17. Jahrhunderts und besonders im 18. Jahrhundert wandte sich dann aber die Aufmerksamkeit der Gelehrten, vor allem in Italien und Frankreich, mit immer größerer Systematik der Entdeckung und Herausgabe antiker christlicher Texte, unter denen sich auch viele liturgische Quellen befanden, zu.

Das Studium dieser Quellen durch Autoren wie - in Italien - Giovanni Bona, Giuseppe Tommasi, Ludovico Antonio Muratori oder - in Frankreich - Jean Mabillon und Edmond Martène (um nur die herausragendsten zu nennen) war nicht nur eine gelehrte Operation, sondern führte zu umfassenden Veränderungen im Verständnis der Liturgie, vor allem in Hinblick auf die 'Teilnahme' der Laien: aus den antiken Quellen ging deutlich hervor, dass das liturgische Beten in der Kirche der Antike nicht das Erfüllen von ritus et caerimoniae seitens des Klerus war, sondern vor allem das Gebet des gesamten Volkes Gottes, an dem alle Anteil hatten.

Es stand also die theologische und spirituelle Notwendigkeit bevor, diese Tatsache wiederzugewinnen, obwohl damals noch niemand an die Möglichkeit einer Modifizierung der Riten dachte. Daher wurde vor allem der ausschließliche Gebrauch der lateinischen Sprache in Frage gestellt, der offensichtlich das erste und unmittelbarste Hindernis für die Teilnahme darstellte. Dies führte konsequenterweise zu ersten Übersetzungen der Messtexte, die anfangs allerdings mit Misstrauen und Verurteilung bedacht wurden. Immer mehr wurde daher die Notwendigkeit deutlich, eine liturgiehistorisch fundierte Begründung zu erarbeiten, warum die Gläubigen am liturgischen Gebet und besonders an der Messe nicht nur teilnehmen könen, sondern sogar teilnehmen müssen.

Die erste Hälfte des 18. Jahrhundertes war vom Erscheinen zahlreicher Forschungsarbeiten geprägt, die ihren Höhepunkt im Traktat Della regolata devozione dei cristiani ["Über das geordnete Gebet der Christen"] (1745) von Ludovico Antonio Muratori erreichte, in dem die Forderung nach einer Vorrangstellung der Teilnahme an der Messe im Leben des Christen klar zum Ausdruck kam. Aus diesem Prinzip leiteten sich eine ganze Reihe von Konsequenzen ab: vor allem die, wenigstens teilweise, Einführung der Muttersprache in die Feier; der Vorzug der Kommunion innerhalb der Messe und nicht, wie damals üblich, außerhalb der Feier; eine Neuordnung des Kirchenjahres auf den Sonntag hin und daher eine geringere Bedeutung der Heiligenverehrung, sei es im privaten Bereich oder auch auf der Ebene einer Revision des Sanktorale des liturgischen Jahres. Alle diese Vorschläge wurden größtenteils von Benedikt XIV. unterstützt, der schon eine Reform des Breviers und die Abschaffung vieler vorgeschriebener Feste des Kirchenjahres geplant hatte, um die Besonderheit des Sonntags klarer herauszustellen. Die politischen Ereignisse der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Kirche und Papsttum überrollten, blockierten allerdings diese Bewegung, und die in Angriff genommenen Reformen wurden nie realisiert. Hier ist auch hinzuzufügen, dass viele der genannten Themen auch auf der Synode von Pistoia im Jahr 1786 aufgegriffen worden waren, die im Jahr 1794 (Bulle Auctorem fidei) verurteilt wurde (vor allem wegen ekklesiologischer Fragen). Dies trug in nicht geringem Maße dazu bei, dass die Überlegungen über die Liturgie ein jähes Ende fanden und ohne Möglichkeit des Apells jegliche Bestrebung und jeder Vorschlag hinsichtlich einer Reform der Liturgie geächtet wurden.

Im 19. Jahrhundert, das eine für die Kirche, die von den politischen Ereignissen und einer schwer zu greifenden kulturellen Beschleunigung überrollt wurde, besonders schwere Zeit war, favorisierten sowohl Rom als auch die einzelnen Diözesen vor allem die unterschiedlichen Ausprägungen der Volksfrömmigkeit, ohne die Intentionen und Theorien des vorangegangenen Jahrhunderts aufzugreifen: nicht umsonst bezeichnete Antonio Rosmini die Entfernung des Volkes von der Liturgie als eine 'Wunde der Kirche' (Delle cinque piaghe della santa chiesa ["Von den fünf Wunden der heiligen Kirche"], 1848). Die wissenschaftlichen Untersuchungen wurden erst am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder aufgenommen. Auf der Linie der Entdeckung und Herausgabe wichtiger Texte der christlichen Antike mit einer betonten liturgischen Dimension (die Didaché und die Peregrinatio Aeteriae) begann die Erforschung der Ursprünge des liturgischen Kultes, zusammen mit einem erneuerten Interesse für die Patristik, ein größeres und ausgeprägteres Bewusstsein für die Bedeutung der Riten anzustoßen. Historische Forschungen wurden zunehmend zu theologischen und spirituellen Überlegungen auf der Suche nach dem, was grundlegend und essenziell ist. Autoren wie Fernand Cabrol (Le livre de la prière antique, 1900; Les origines liturgiques, 1907) und Louis Duchesne (Origines du culte chrétien, 1903) stellten Überlegungen über eine Rückkehr zum Modell der antiken Kirche auf, die als Rückkehr zu den unabdingbaren und normativen Quellen der Liturgie gedacht wurde.

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Die hier von Anna Maria Burlini Calapaj dargestellte Entwicklung wird vom 2. Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffen, wenn in Art. 50 der Liturgiekonstitution von der "altehrwürdigen Norm der Väter" gesprochen wird:

50. Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde.

Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.

2. Vatikanischen Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie (4.12.1963), 50

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