2. November: Allerseelen

Veröffentlicht auf von Markus Tymister

2. November: Allerseelen

Schon am Allerheiligenfest trat die Kirche als die große Gemeinschaft der Heiligen in Erscheinung. Eine Gemeinschaft zu der die vielen bekannten Gestalten aber auch die unbekannten gehören, die schon in Gottes Vollendung leben, die aber auch ohne uns, die wir noch den Pilgerweg gehen, unvollständig wäre. Das Allerseelengedächtnis ist dabei wie ein zweiter Blick auf die selbe Wirklichkeit: auf die Vollendung des Menschen in Gott, daher sind beide Feste auch wie zwei Zwillingsschwestern im Volksbrauch nicht voneinander zu trennen; an beiden Festen scheint die Gestalt der Kirche auf.

Die Idee ein gemeinsames Gedächtnis der Verstorbenen einer Ortskirche oder der Weltkirche zu begehen, taucht im Westen nicht vor dem 9. oder 10. Jahrhundert auf. 998 ordnet der Hl. Odilo, Abt von Cluny an, dass in allen von Cluny abhängigen Klöstern am 2. November, also am Tag nach Allerheiligen, ein allgemeines Totengedächtnis zu feiern ist. Mehr als 1000 Klöster waren in jener Zeit von Cluny abhängig und gleichzeitig entsprach der Gedanke eines jährlichen und gemeinsamen Totengedächtnisses vollkommen der Mentalität der damaligen Zeit. So verbreitete sich der Brauch schnell in der ganzen westlichen Kirche.

Um das Gebet und die Feier des Messopfers für die Verstorbenen zu intensivieren, erlaubten die Dominikaner von Valencia in Spanien im 15. Jahrhundert jedem Priester die Feier von drei Messen für die Verstorbenen am 2. November. Nach der 1. Jahrtausendwende hatte sich zunehmend der Gedanke verbreitet, die Feier der Messe bringe objektiv messbare Früchte hervor, die den Verstorbenen, die noch auf ihre Vollendung in Gott warten, zugewendet werden können. Gleichzeitig hatte sich im Westen der Brauch entwickelt, Geldspenden für die Feier von Messen, besonders für Verstorbene, zu geben. Beide Faktoren trugen nicht wenig zu einer zum Teil ausufernden Vermehrung der Messfeiern bei. Viele Länder nahmen den in Valencia erstmals nachweisbaren Brauch der drei Messen auf, und unter dem Eindruck der Verwüstungen des 1. Weltkrieges weitet Papst Benedikt XV. 1915 die Möglichkeit (nicht die Pflicht!) für Priester, am 2. November drei Messen zu feiern auf die ganze Weltkirche aus.

Diese Möglichkeit hat auch heute noch Bestand. Schon 1949 hatte aber Karl Rahner in seinem vielbeachteten und in alle größeren Sprachen übersetzten Artikel "Die vielen Messen und das eine Opfer" (ZKTh 71 (1949) 257-317) deutlich gemacht, dass die einzelne Feier einer Hl. Messe dem unendlichen und unbegrenzten Wert des Kreuzesopfers Christi nichts hinzuzufügen vermag. Daher liegt der Wert der Messfeier nicht in ihrer objektiven Multiplizierung, sondern in der persönlichen Teilnahme des Priesters und aller Mitfeiernden. Rahners Betrachtungen bereiten nicht unwesentlich den Weg für eine veränderte Konzeption der Eucharistie, in der die Vervielfachung der Messfeiern keinen Wert in sich darstellt. Auch wenn ein Priester an Allerseelen immer noch drei Messen feiern darf (an anderen Tagen darf er dies nicht! - auch die Feier von mehreren Messen an Sonn- und Feiertagen ist immer an eine Ausnahmegenehmigung des zuständigen Bischofs gebunden, der aber niemals mehr als drei Messen an einem Tag gestatten darf), so sollte er dies sinnvollerweise nur tun, um Menschen die Möglichkeit der Teilnahme an der Messfeier zu geben.

Oration der 1. Messe an Allerseelen im Messbuch von 1962:

Fidelium, Deus, omnium conditor et redemptor: animabus famulorum famularumque tuarum remissionem cunctorum tribue peccatorum; ut indulgentiam, quam semper optaverunt, piis supplicationibus consequantur.

O Gott, Schöpfer und Erlöser aller Gläubigen, gib den Seelen deiner Diener und Dienerinnen Nachlass aller Sünden, damit sie die Vergebung, die sie immer ersehnt haben, durch fromme Fürbitten erlangen.

Tagesgebet der 1. Messe an Allerseelen im Messbuch von 1970-2002:

Preces nostras, quaesumus, Domine, benignus exaudi, ut, dum attollitur nostra fides in Filio tuo a mortuis suscitato, in famulorum tuorum praestolanda resurrectione spes quoque nostra firmetur.

Allmächtiger Gott, wir glauben und bekennen, dass du deinen Sohn als Ersten von den Toten auferweckt hast. Stärke unsere Hoffnung, dass du auch unsere Brüder und Schwestern auferwecken wirst zum ewigen Leben. (Übertragung: Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes, Authentische Ausgabe, 1975.)

Steht bis 1962 noch der Gedanke der Fürbitte um Nachlass und Vergebung der Sünden der Verstorbenen im Vordergrund, so rückt in den nachkonziliaren Messformularen der österliche Gedanke der Auferstehung Christi und unserer Auferweckung in den Mittelpunkt. Im Lichte der Osterkerze, die auf den lebendigen Christus verweist, gedenken wir unserer Verstorbenen, in der Hoffnung, dass auch sie das Leben haben in Ihm.

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